Häuflein dort draussen unverzüglich Trost und Freude zu bringen. Mit Jauchzen ward ich an- gehört und empfangen, als ich ihnen, in Gnei- senau's Namen, verkündigte, daß ihnen gestattet seyn solle, sich auf ihren Brandstätten in leichten Baracken wieder anzusiedeln. Wirklich auch ver- liefen nicht drei oder vier Tage: so stand dort eine neue Anlage fertig, die mich in ihren äusse- ren Umrissen auf das lebhafteste an ein früher gesehenes indianisches Dorf erinnerte. Sicher aber war es den Bewohnern, selbst unter diesem armseligen Obdach, leichter und wohler um's Herz, als damals, da ich sie hoffnungslos unter den Trümmern ihres früheren Wohlstandes um- herkriechen sah.
Jndem ich jedoch nun selbst wieder zu eini- ger Ruhe kam, konnt' ich nicht umhin, den Blick auch auf meine eigene Lage zu richten und mir zu gestehen, daß diese Zeit der Belagerung mich leicht zum armen Manne gemacht haben könne. Mein kleines baares Vermögen war gänzlich drauf gegangen; theils an Arbeiter, die ich aus meiner Tasche bezahlte, theils durch Spenden an unser braves Militair, das jede Art der Erquickung, die wir Bürger ihm zu bereiten vermochten, so wohl verdient hatte. Mir aber war es das sü- ßeste Geschäft, wenn ich den wackern Leuten, bei ihrem harten Dienst, dann und wann einen war- men Mundbissen, oder was es sonst gab, selbst auf die Wälle, vor die Thore, in die Blockhäu-
Haͤuflein dort drauſſen unverzuͤglich Troſt und Freude zu bringen. Mit Jauchzen ward ich an- gehoͤrt und empfangen, als ich ihnen, in Gnei- ſenau’s Namen, verkuͤndigte, daß ihnen geſtattet ſeyn ſolle, ſich auf ihren Brandſtaͤtten in leichten Baracken wieder anzuſiedeln. Wirklich auch ver- liefen nicht drei oder vier Tage: ſo ſtand dort eine neue Anlage fertig, die mich in ihren aͤuſſe- ren Umriſſen auf das lebhafteſte an ein fruͤher geſehenes indianiſches Dorf erinnerte. Sicher aber war es den Bewohnern, ſelbſt unter dieſem armſeligen Obdach, leichter und wohler um’s Herz, als damals, da ich ſie hoffnungslos unter den Truͤmmern ihres fruͤheren Wohlſtandes um- herkriechen ſah.
Jndem ich jedoch nun ſelbſt wieder zu eini- ger Ruhe kam, konnt’ ich nicht umhin, den Blick auch auf meine eigene Lage zu richten und mir zu geſtehen, daß dieſe Zeit der Belagerung mich leicht zum armen Manne gemacht haben koͤnne. Mein kleines baares Vermoͤgen war gaͤnzlich drauf gegangen; theils an Arbeiter, die ich aus meiner Taſche bezahlte, theils durch Spenden an unſer braves Militair, das jede Art der Erquickung, die wir Buͤrger ihm zu bereiten vermochten, ſo wohl verdient hatte. Mir aber war es das ſuͤ- ßeſte Geſchaͤft, wenn ich den wackern Leuten, bei ihrem harten Dienſt, dann und wann einen war- men Mundbiſſen, oder was es ſonſt gab, ſelbſt auf die Waͤlle, vor die Thore, in die Blockhaͤu-
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Haͤuflein dort drauſſen unverzuͤglich Troſt und
Freude zu bringen. Mit Jauchzen ward ich an-
gehoͤrt und empfangen, als ich ihnen, in Gnei-
ſenau’s Namen, verkuͤndigte, daß ihnen geſtattet
ſeyn ſolle, ſich auf ihren Brandſtaͤtten in leichten
Baracken wieder anzuſiedeln. Wirklich auch ver-
liefen nicht drei oder vier Tage: ſo ſtand dort
eine neue Anlage fertig, die mich in ihren aͤuſſe-
ren Umriſſen auf das lebhafteſte an ein fruͤher
geſehenes indianiſches Dorf erinnerte. Sicher
aber war es den Bewohnern, ſelbſt unter dieſem
armſeligen Obdach, leichter und wohler um’s
Herz, als damals, da ich ſie hoffnungslos unter
den Truͤmmern ihres fruͤheren Wohlſtandes um-
herkriechen ſah.
Jndem ich jedoch nun ſelbſt wieder zu eini-
ger Ruhe kam, konnt’ ich nicht umhin, den Blick
auch auf meine eigene Lage zu richten und mir
zu geſtehen, daß dieſe Zeit der Belagerung mich
leicht zum armen Manne gemacht haben koͤnne.
Mein kleines baares Vermoͤgen war gaͤnzlich drauf
gegangen; theils an Arbeiter, die ich aus meiner
Taſche bezahlte, theils durch Spenden an unſer
braves Militair, das jede Art der Erquickung,
die wir Buͤrger ihm zu bereiten vermochten, ſo
wohl verdient hatte. Mir aber war es das ſuͤ-
ßeſte Geſchaͤft, wenn ich den wackern Leuten, bei
ihrem harten Dienſt, dann und wann einen war-
men Mundbiſſen, oder was es ſonſt gab, ſelbſt
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/180>, abgerufen am 18.07.2024.
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