ser hinbringen und ihnen Trost und guten Muth einsprechen konnte.
Es ist wahr; meine guten Freunde haben mir deshalb oftmals Vorstellungen gethan, daß mich mein guter Wille zuweit führe und zum Verschwender mache: aber nie verließ mich der frohe Muth, ihnen zu antworten: "Jch bin ein alter Mann ohne Kind oder Kegel: wem sollt' ich es sparen? Aber wär' ich auch der Jüngste unter euch: wie leicht kann man in diesen Zeiten den Tod haben! Mir liegen König und Vater- stadt allein am Herzen; und überleb' ich diese Zeit: -- nun, so werden ja sie mich auch nicht darben lassen."
Fest hielt ich, und halte noch, an diesem schönen Glauben: aber freilich war das auch um so nothwendiger, wenn ich nun auf den geringen, mir jetzt übrig gebliebenen Rest meiner Haabe blickte. Mein Haus hatte durch das Bombarde- ment in allen seinen Theilen bedeutend gelitten; meine Scheune vor dem Thore war niederge- brannt, mein Gartenhäuschen abgebrochen wor- den, mein Garten verwüstet. Von den Vorrä- then meines Gewerbes war nichts mehr übrig, um es neu wiederherzustellen; und das beschädigte Eigenthum zu bessern, hätt' es Hülfsmittel be- durft, die mir jetzt kaum mehr zu Gebote stan- den. Meine Lage war keinesweges erfreulich!
Aber war ich auch wohl berechtigt, über er- littene Einbuße zu klagen? Meine Mitbürger
ſer hinbringen und ihnen Troſt und guten Muth einſprechen konnte.
Es iſt wahr; meine guten Freunde haben mir deshalb oftmals Vorſtellungen gethan, daß mich mein guter Wille zuweit fuͤhre und zum Verſchwender mache: aber nie verließ mich der frohe Muth, ihnen zu antworten: „Jch bin ein alter Mann ohne Kind oder Kegel: wem ſollt’ ich es ſparen? Aber waͤr’ ich auch der Juͤngſte unter euch: wie leicht kann man in dieſen Zeiten den Tod haben! Mir liegen Koͤnig und Vater- ſtadt allein am Herzen; und uͤberleb’ ich dieſe Zeit: — nun, ſo werden ja ſie mich auch nicht darben laſſen.‟
Feſt hielt ich, und halte noch, an dieſem ſchoͤnen Glauben: aber freilich war das auch um ſo nothwendiger, wenn ich nun auf den geringen, mir jetzt uͤbrig gebliebenen Reſt meiner Haabe blickte. Mein Haus hatte durch das Bombarde- ment in allen ſeinen Theilen bedeutend gelitten; meine Scheune vor dem Thore war niederge- brannt, mein Gartenhaͤuschen abgebrochen wor- den, mein Garten verwuͤſtet. Von den Vorraͤ- then meines Gewerbes war nichts mehr uͤbrig, um es neu wiederherzuſtellen; und das beſchaͤdigte Eigenthum zu beſſern, haͤtt’ es Huͤlfsmittel be- durft, die mir jetzt kaum mehr zu Gebote ſtan- den. Meine Lage war keinesweges erfreulich!
Aber war ich auch wohl berechtigt, uͤber er- littene Einbuße zu klagen? Meine Mitbuͤrger
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ſer hinbringen und ihnen Troſt und guten Muth
einſprechen konnte.
Es iſt wahr; meine guten Freunde haben
mir deshalb oftmals Vorſtellungen gethan, daß
mich mein guter Wille zuweit fuͤhre und zum
Verſchwender mache: aber nie verließ mich der
frohe Muth, ihnen zu antworten: „Jch bin ein
alter Mann ohne Kind oder Kegel: wem ſollt’
ich es ſparen? Aber waͤr’ ich auch der Juͤngſte
unter euch: wie leicht kann man in dieſen Zeiten
den Tod haben! Mir liegen Koͤnig und Vater-
ſtadt allein am Herzen; und uͤberleb’ ich dieſe
Zeit: — nun, ſo werden ja ſie mich auch nicht
darben laſſen.‟
Feſt hielt ich, und halte noch, an dieſem
ſchoͤnen Glauben: aber freilich war das auch um
ſo nothwendiger, wenn ich nun auf den geringen,
mir jetzt uͤbrig gebliebenen Reſt meiner Haabe
blickte. Mein Haus hatte durch das Bombarde-
ment in allen ſeinen Theilen bedeutend gelitten;
meine Scheune vor dem Thore war niederge-
brannt, mein Gartenhaͤuschen abgebrochen wor-
den, mein Garten verwuͤſtet. Von den Vorraͤ-
then meines Gewerbes war nichts mehr uͤbrig,
um es neu wiederherzuſtellen; und das beſchaͤdigte
Eigenthum zu beſſern, haͤtt’ es Huͤlfsmittel be-
durft, die mir jetzt kaum mehr zu Gebote ſtan-
den. Meine Lage war keinesweges erfreulich!
Aber war ich auch wohl berechtigt, uͤber er-
littene Einbuße zu klagen? Meine Mitbuͤrger
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/181>, abgerufen am 19.07.2024.
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