Waffenmacht, sondern durch Hunger, zur Ueber- gabe gezwungen worden. Diese Erfahrungen von der Wichtigkeit und Festigkeit des Platzes hatten auch den König Friedrich bewogen, den- selben im Jahre 1770 durch verschiedene neue Werke verstärken zu lassen; Kenner wollten je- doch behaupten, daß diese erweiterten Anlagen ihrem Zwecke nur ungenügend entsprächen. Man hatte immer an Colberg getadelt, daß es zu klein sey, um als Festung bedeutend zu werden und eine beträchtliche Garnison zu fassen: aber es gab kasamattirte Werke; es gab 6 bis 700 Bürger- häuser innerhalb der Wälle, die nöthigenfalls zu 20 und 30 Menschen fassen konnten und gefaßt haben; und so lebe ich des festen Glaubens, daß Colberg, gegen noch so große Feindesmacht, mit Ehrlichkeit, mit genugsamem Proviant, mit ge- höriger Einrichtung der Ueberschwemmung und mit Sicherheit von der Seeseite, sich zu halten vermöge.
Allein wie sah es doch im Herbste 1806 mit Allem, was zu einer rechtschaffenen Vertheidigung gehörte, so gar trübselig aus! Seit undenklicher Zeit war für die Unterhaltung der Festung sogut als gar nichts gethan worden. Wall und Gra- ben verfallen; von Pallisaden keine Spur. Nur drei Kanonen standen, im Bastion Pommern, auf Lavetten und dienten allein zu Lärmschüssen, wenn Ausreisser von der Besatzung verfolgt wer- den sollten. Alles übrige Geschütz lag am Bo-
Waffenmacht, ſondern durch Hunger, zur Ueber- gabe gezwungen worden. Dieſe Erfahrungen von der Wichtigkeit und Feſtigkeit des Platzes hatten auch den Koͤnig Friedrich bewogen, den- ſelben im Jahre 1770 durch verſchiedene neue Werke verſtaͤrken zu laſſen; Kenner wollten je- doch behaupten, daß dieſe erweiterten Anlagen ihrem Zwecke nur ungenuͤgend entſpraͤchen. Man hatte immer an Colberg getadelt, daß es zu klein ſey, um als Feſtung bedeutend zu werden und eine betraͤchtliche Garniſon zu faſſen: aber es gab kaſamattirte Werke; es gab 6 bis 700 Buͤrger- haͤuſer innerhalb der Waͤlle, die noͤthigenfalls zu 20 und 30 Menſchen faſſen konnten und gefaßt haben; und ſo lebe ich des feſten Glaubens, daß Colberg, gegen noch ſo große Feindesmacht, mit Ehrlichkeit, mit genugſamem Proviant, mit ge- hoͤriger Einrichtung der Ueberſchwemmung und mit Sicherheit von der Seeſeite, ſich zu halten vermoͤge.
Allein wie ſah es doch im Herbſte 1806 mit Allem, was zu einer rechtſchaffenen Vertheidigung gehoͤrte, ſo gar truͤbſelig aus! Seit undenklicher Zeit war fuͤr die Unterhaltung der Feſtung ſogut als gar nichts gethan worden. Wall und Gra- ben verfallen; von Palliſaden keine Spur. Nur drei Kanonen ſtanden, im Baſtion Pommern, auf Lavetten und dienten allein zu Laͤrmſchuͤſſen, wenn Ausreiſſer von der Beſatzung verfolgt wer- den ſollten. Alles uͤbrige Geſchuͤtz lag am Bo-
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Waffenmacht, ſondern durch Hunger, zur Ueber-
gabe gezwungen worden. Dieſe Erfahrungen
von der Wichtigkeit und Feſtigkeit des Platzes
hatten auch den Koͤnig Friedrich bewogen, den-
ſelben im Jahre 1770 durch verſchiedene neue
Werke verſtaͤrken zu laſſen; Kenner wollten je-
doch behaupten, daß dieſe erweiterten Anlagen
ihrem Zwecke nur ungenuͤgend entſpraͤchen. Man
hatte immer an Colberg getadelt, daß es zu klein
ſey, um als Feſtung bedeutend zu werden und
eine betraͤchtliche Garniſon zu faſſen: aber es gab
kaſamattirte Werke; es gab 6 bis 700 Buͤrger-
haͤuſer innerhalb der Waͤlle, die noͤthigenfalls zu
20 und 30 Menſchen faſſen konnten und gefaßt
haben; und ſo lebe ich des feſten Glaubens, daß
Colberg, gegen noch ſo große Feindesmacht, mit
Ehrlichkeit, mit genugſamem Proviant, mit ge-
hoͤriger Einrichtung der Ueberſchwemmung und
mit Sicherheit von der Seeſeite, ſich zu halten
vermoͤge.
Allein wie ſah es doch im Herbſte 1806 mit
Allem, was zu einer rechtſchaffenen Vertheidigung
gehoͤrte, ſo gar truͤbſelig aus! Seit undenklicher
Zeit war fuͤr die Unterhaltung der Feſtung ſogut
als gar nichts gethan worden. Wall und Gra-
ben verfallen; von Palliſaden keine Spur. Nur
drei Kanonen ſtanden, im Baſtion Pommern,
auf Lavetten und dienten allein zu Laͤrmſchuͤſſen,
wenn Ausreiſſer von der Beſatzung verfolgt wer-
den ſollten. Alles uͤbrige Geſchuͤtz lag am Bo-
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/56>, abgerufen am 16.02.2025.
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