Markte zurück. Kaum konnte ich mich durch das tosende Gedränge schlagen. Vor dem Kuhfahl- schen Hause trat ich auf eine Erhöhung und for- derte wiederholt und mit angestrengtester Stimme, daß man mich hören solle. Nur mit Mühe er- wirkte dies soviel Stille, um überall vernommen zu werden. "Kinder!" rief ich -- "Jch komme von unserm Freunde. Aus seinem eignen Mun- de weiß ich's: Er hat nicht Arrest, wie ihr glaubt, sondern hält sich wegen Unpäßlichkeit in seinem Zimmer. Euch insgesammt aber bittet er durch meinen Mund, wenn ihr ihm je Liebe bewiesen habt, daß ihr jetzt ruhig auseinandergeht. Bin- nen wenig Tagen hofft er so vollkommen herge- stellt zu seyn, daß er selbst unter euch erscheinen und euch für eure Anhänglichkeit danken kann. Wer also ein guter Bürger und sein Freund ist, der geht nach Hause."
Diese Rede war nicht zierlich, aber verständ- lich, und machte um so mehr den besten Eindruck, da sie von dem Superintendenten Baarz, der neben mir stand, wiederholt und weiter ausge- führt wurde. Die guten Leute kamen glücklich zur Besinnung; und als die Angeseheneren sich ruhig wegbegeben hatten, fehlte es nicht, daß auch der Pöbel sich allgemach verlief. Loucadou verhielt sich bei diesem Vorgange ganz still, als hätte er kein Wasser getrübt; was ihm auch gar sehr zu rathen war. Schill's Arrest aber blieb, wie man wohl denken kann, ein leeres Wort, das
3. Bändchen. (6)
Markte zuruͤck. Kaum konnte ich mich durch das toſende Gedraͤnge ſchlagen. Vor dem Kuhfahl- ſchen Hauſe trat ich auf eine Erhoͤhung und for- derte wiederholt und mit angeſtrengteſter Stimme, daß man mich hoͤren ſolle. Nur mit Muͤhe er- wirkte dies ſoviel Stille, um uͤberall vernommen zu werden. „Kinder!‟ rief ich — „Jch komme von unſerm Freunde. Aus ſeinem eignen Mun- de weiß ich’s: Er hat nicht Arreſt, wie ihr glaubt, ſondern haͤlt ſich wegen Unpaͤßlichkeit in ſeinem Zimmer. Euch insgeſammt aber bittet er durch meinen Mund, wenn ihr ihm je Liebe bewieſen habt, daß ihr jetzt ruhig auseinandergeht. Bin- nen wenig Tagen hofft er ſo vollkommen herge- ſtellt zu ſeyn, daß er ſelbſt unter euch erſcheinen und euch fuͤr eure Anhaͤnglichkeit danken kann. Wer alſo ein guter Buͤrger und ſein Freund iſt, der geht nach Hauſe.‟
Dieſe Rede war nicht zierlich, aber verſtaͤnd- lich, und machte um ſo mehr den beſten Eindruck, da ſie von dem Superintendenten Baarz, der neben mir ſtand, wiederholt und weiter ausge- fuͤhrt wurde. Die guten Leute kamen gluͤcklich zur Beſinnung; und als die Angeſeheneren ſich ruhig wegbegeben hatten, fehlte es nicht, daß auch der Poͤbel ſich allgemach verlief. Loucadou verhielt ſich bei dieſem Vorgange ganz ſtill, als haͤtte er kein Waſſer getruͤbt; was ihm auch gar ſehr zu rathen war. Schill’s Arreſt aber blieb, wie man wohl denken kann, ein leeres Wort, das
3. Baͤndchen. (6)
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Markte zuruͤck. Kaum konnte ich mich durch das
toſende Gedraͤnge ſchlagen. Vor dem Kuhfahl-
ſchen Hauſe trat ich auf eine Erhoͤhung und for-
derte wiederholt und mit angeſtrengteſter Stimme,
daß man mich hoͤren ſolle. Nur mit Muͤhe er-
wirkte dies ſoviel Stille, um uͤberall vernommen
zu werden. „Kinder!‟ rief ich — „Jch komme
von unſerm Freunde. Aus ſeinem eignen Mun-
de weiß ich’s: Er hat nicht Arreſt, wie ihr glaubt,
ſondern haͤlt ſich wegen Unpaͤßlichkeit in ſeinem
Zimmer. Euch insgeſammt aber bittet er durch
meinen Mund, wenn ihr ihm je Liebe bewieſen
habt, daß ihr jetzt ruhig auseinandergeht. Bin-
nen wenig Tagen hofft er ſo vollkommen herge-
ſtellt zu ſeyn, daß er ſelbſt unter euch erſcheinen
und euch fuͤr eure Anhaͤnglichkeit danken kann.
Wer alſo ein guter Buͤrger und ſein Freund iſt,
der geht nach Hauſe.‟
Dieſe Rede war nicht zierlich, aber verſtaͤnd-
lich, und machte um ſo mehr den beſten Eindruck,
da ſie von dem Superintendenten Baarz, der
neben mir ſtand, wiederholt und weiter ausge-
fuͤhrt wurde. Die guten Leute kamen gluͤcklich
zur Beſinnung; und als die Angeſeheneren ſich
ruhig wegbegeben hatten, fehlte es nicht, daß
auch der Poͤbel ſich allgemach verlief. Loucadou
verhielt ſich bei dieſem Vorgange ganz ſtill, als
haͤtte er kein Waſſer getruͤbt; was ihm auch gar
ſehr zu rathen war. Schill’s Arreſt aber blieb,
wie man wohl denken kann, ein leeres Wort, das
3. Baͤndchen. (6)
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/97>, abgerufen am 16.02.2025.
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