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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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I. Geschichte des japanischen Volkes.
zu bleiben in Gegenwart eines Samurai und Soldaten. Der Streich
gelang vollkommen und sie passierten ungehindert das streng be-
wachte Thor.

Im Gokinai werden zahlreiche Reminiscenzen an Benkei's grosse
Kraft gezeigt. In uralten, grossen und centnerschweren eisernen
Pfannen, wie solche nicht weit von Kioto und Yoshino zu sehen sind,
soll er sich seinen Reis gekocht, Felsen und enorm schwere Glocken
versetzt haben und anderes mehr.

Im Jahre 1190 zog Yoritomo von Kamakura mit grossem Ge-
folge und Gepränge nach Kioto, um sich dem regierenden und dem
zurückgezogenen Mikado vorzustellen. Alle Welt, selbst der Hof,
staunte über den stattlichen Aufzug und grossen Reichthum, welchen
er bei der Gelegenheit zu entfalten wusste. Er war jetzt der erste
Unterthan, und was mehr ist, er besass factisch, wenn auch nicht
formell, eine grössere Macht, als sie selbst Kiyomori je geübt hatte.
Kein Wunder, dass ihm ein glänzender Empfang zu Theil wurde.
Man tauschte werthvolle Geschenke aus, von denen einzelne noch
jetzt in Kioto und Kamakura von Priestern der Tempel, denen sie
später zuflossen, gezeigt werden; man liess täglich neue Feste und
Unterhaltungen folgen. Einen vollen Monat hindurch ging dies so
fort, dann kehrte Yoritomo, mit hohem Civil- und Militärrang vom
Hofe versehen, nach seiner Residenz Kamakura zurück. Diese, eine
kleine Tagereise westlich von Yokohama nicht weit von Sagami-
wan im Jahre 1184 angelegt, wurde bald die reichste und nächst
Kioto die bedeutendste Stadt von Japan. Verschiedene Tempel, alte
Ginkgobäume und der berühmte Daibutsu von Kamakura lassen
als einzige Ueberbleibsel jetzt noch den Umfang und die Macht er-
kennen, welche diese Residenz der Minamoto und später der Hojo
entfaltete.

Im Jahre 1192 starb der Exkaiser Go-Shirakawa im Alter von
67 Jahren. Kein anderer Mikado hat eine wechselvollere Zeit, eine
Zeit mit grösserer Corruption und Erniedrigung des Hofes durchlebt,
wie er. In der herrschenden Verderbtheit geboren und erzogen und
ganz ihr Produkt, hat er sehen müssen, wie viele seiner Verwandten,
Eltern, Kinder und Kindeskinder durch sie zu Grunde gingen und er
selbst mehr denn einmal einem unnatürlichen Tode nahe war; und
wenn er beim endlichen Scheiden das Land in Frieden sah, so war
es ein Friede, den nicht er und seine Familie herbeigeführt hatten,
noch zu erhalten im Stande waren. Gleich nach seinem Tode sandte
der 82. Mikado Go-Toba-Tenno einen hohen Würdenträger des Hofes
nach Kamakura, um Yoritomo mit der höchsten militärischen Würde,

I. Geschichte des japanischen Volkes.
zu bleiben in Gegenwart eines Samurai und Soldaten. Der Streich
gelang vollkommen und sie passierten ungehindert das streng be-
wachte Thor.

Im Gokinai werden zahlreiche Reminiscenzen an Benkei’s grosse
Kraft gezeigt. In uralten, grossen und centnerschweren eisernen
Pfannen, wie solche nicht weit von Kiôto und Yoshino zu sehen sind,
soll er sich seinen Reis gekocht, Felsen und enorm schwere Glocken
versetzt haben und anderes mehr.

Im Jahre 1190 zog Yoritomo von Kamakura mit grossem Ge-
folge und Gepränge nach Kiôto, um sich dem regierenden und dem
zurückgezogenen Mikado vorzustellen. Alle Welt, selbst der Hof,
staunte über den stattlichen Aufzug und grossen Reichthum, welchen
er bei der Gelegenheit zu entfalten wusste. Er war jetzt der erste
Unterthan, und was mehr ist, er besass factisch, wenn auch nicht
formell, eine grössere Macht, als sie selbst Kiyomori je geübt hatte.
Kein Wunder, dass ihm ein glänzender Empfang zu Theil wurde.
Man tauschte werthvolle Geschenke aus, von denen einzelne noch
jetzt in Kiôto und Kamakura von Priestern der Tempel, denen sie
später zuflossen, gezeigt werden; man liess täglich neue Feste und
Unterhaltungen folgen. Einen vollen Monat hindurch ging dies so
fort, dann kehrte Yoritomo, mit hohem Civil- und Militärrang vom
Hofe versehen, nach seiner Residenz Kamakura zurück. Diese, eine
kleine Tagereise westlich von Yokohama nicht weit von Sagami-
wan im Jahre 1184 angelegt, wurde bald die reichste und nächst
Kiôto die bedeutendste Stadt von Japan. Verschiedene Tempel, alte
Ginkgobäume und der berühmte Daibutsu von Kamakura lassen
als einzige Ueberbleibsel jetzt noch den Umfang und die Macht er-
kennen, welche diese Residenz der Minamoto und später der Hôjô
entfaltete.

Im Jahre 1192 starb der Exkaiser Go-Shirakawa im Alter von
67 Jahren. Kein anderer Mikado hat eine wechselvollere Zeit, eine
Zeit mit grösserer Corruption und Erniedrigung des Hofes durchlebt,
wie er. In der herrschenden Verderbtheit geboren und erzogen und
ganz ihr Produkt, hat er sehen müssen, wie viele seiner Verwandten,
Eltern, Kinder und Kindeskinder durch sie zu Grunde gingen und er
selbst mehr denn einmal einem unnatürlichen Tode nahe war; und
wenn er beim endlichen Scheiden das Land in Frieden sah, so war
es ein Friede, den nicht er und seine Familie herbeigeführt hatten,
noch zu erhalten im Stande waren. Gleich nach seinem Tode sandte
der 82. Mikado Go-Toba-Tennô einen hohen Würdenträger des Hofes
nach Kamakura, um Yoritomo mit der höchsten militärischen Würde,

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[276/0302] I. Geschichte des japanischen Volkes. zu bleiben in Gegenwart eines Samurai und Soldaten. Der Streich gelang vollkommen und sie passierten ungehindert das streng be- wachte Thor. Im Gokinai werden zahlreiche Reminiscenzen an Benkei’s grosse Kraft gezeigt. In uralten, grossen und centnerschweren eisernen Pfannen, wie solche nicht weit von Kiôto und Yoshino zu sehen sind, soll er sich seinen Reis gekocht, Felsen und enorm schwere Glocken versetzt haben und anderes mehr. Im Jahre 1190 zog Yoritomo von Kamakura mit grossem Ge- folge und Gepränge nach Kiôto, um sich dem regierenden und dem zurückgezogenen Mikado vorzustellen. Alle Welt, selbst der Hof, staunte über den stattlichen Aufzug und grossen Reichthum, welchen er bei der Gelegenheit zu entfalten wusste. Er war jetzt der erste Unterthan, und was mehr ist, er besass factisch, wenn auch nicht formell, eine grössere Macht, als sie selbst Kiyomori je geübt hatte. Kein Wunder, dass ihm ein glänzender Empfang zu Theil wurde. Man tauschte werthvolle Geschenke aus, von denen einzelne noch jetzt in Kiôto und Kamakura von Priestern der Tempel, denen sie später zuflossen, gezeigt werden; man liess täglich neue Feste und Unterhaltungen folgen. Einen vollen Monat hindurch ging dies so fort, dann kehrte Yoritomo, mit hohem Civil- und Militärrang vom Hofe versehen, nach seiner Residenz Kamakura zurück. Diese, eine kleine Tagereise westlich von Yokohama nicht weit von Sagami- wan im Jahre 1184 angelegt, wurde bald die reichste und nächst Kiôto die bedeutendste Stadt von Japan. Verschiedene Tempel, alte Ginkgobäume und der berühmte Daibutsu von Kamakura lassen als einzige Ueberbleibsel jetzt noch den Umfang und die Macht er- kennen, welche diese Residenz der Minamoto und später der Hôjô entfaltete. Im Jahre 1192 starb der Exkaiser Go-Shirakawa im Alter von 67 Jahren. Kein anderer Mikado hat eine wechselvollere Zeit, eine Zeit mit grösserer Corruption und Erniedrigung des Hofes durchlebt, wie er. In der herrschenden Verderbtheit geboren und erzogen und ganz ihr Produkt, hat er sehen müssen, wie viele seiner Verwandten, Eltern, Kinder und Kindeskinder durch sie zu Grunde gingen und er selbst mehr denn einmal einem unnatürlichen Tode nahe war; und wenn er beim endlichen Scheiden das Land in Frieden sah, so war es ein Friede, den nicht er und seine Familie herbeigeführt hatten, noch zu erhalten im Stande waren. Gleich nach seinem Tode sandte der 82. Mikado Go-Toba-Tennô einen hohen Würdenträger des Hofes nach Kamakura, um Yoritomo mit der höchsten militärischen Würde,

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/302>, abgerufen am 22.11.2024.