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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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I. Geschichte des japanischen Volkes.

Endlich im Jahre 1580 ging Nobunaga auch gegen Hoganji in
Osaka ernstlich vor. Seit 12 Jahren waren die Bonzen dieses be-
festigten Klosters seine erklärten Feinde. Die Belagerung kostete
auf beiden Seiten viele Opfer. Schliesslich legte sich noch der Mikado
ins Mittel und bewirkte den Insassen, unter denen eine Menge Flücht-
linge sich befanden, gegen Uebergabe freien Abzug.

Zwei Jahre später, als Nobunaga noch in der Fülle seiner Körper-
kraft, seiner Macht und seines Ansehens stand, ereilte ihn in Kioto
ein gewaltsamer Tod. Er hatte kurz zuvor zu Akuchi einen prächtigen
Tempel erbauen, die Idole aller Götter des Landes und in ihrer Mitte
eine Statue von sich selbst unter dem Titel Kusanti (erhabener Herr-
scher) aufstellen und derselben Reverenz erweisen lassen. Sein ältester
Sohn war der erste gewesen, sich vor derselben zu verneigen, dann
waren seine Vasallen und das Volk dem Beispiele gefolgt.

In Chiugoku nämlich kämpfte für ihn sein Günstling und bewähr-
tester Heerführer Hideyoshi gegen den immer noch sehr mächtigen
Mori und hatte alle verfügbaren Streitkräfte an sich gezogen. Die
letzten, welche in Kioto sich befanden, sollte Akechi-Mitsuhide, ein
stolzer und tapferer General, demselben zuführen. Diese Gelegenheit
hielt derselbe für günstig, eine frühere Beleidigung seines Herrn zu
rächen und sich selbst auf die Spitze der Gewalt empor zu schwingen.
Er verliess mit seiner Truppe Kioto; statt jedoch die angegebene Route
einzuschlagen, nahm er seine Capitäne auf die Seite, stellte ihnen
vor, wie Nobunaga die Götter verspottet und die Priester getödtet
habe, versprach ihnen Reichthümer und hohe Würden und gewann
sie so für seine verbrecherischen Pläne. Dann wandte er sich mit
seinem Gefolge um, erschien plötzlich wieder in Kioto und umringte
Honnoji, den Tempel, in welchem Nobunaga wohnte. Als dieser
ein Fenster öffnete, um nach der Ursache des zu ihm dringenden
Lärmes zu sehen, erkannte er alsbald seine Lage, denn es folgte
ein Hagel von Pfeilen auf ihn, deren einer ihn in der Schulter ver-
wundete. An ein Entkommen war nicht zu denken. So legte er
Feuer an seine Wohnung und verbrannte mit ihr im 39. Jahre seines
Lebens 1582 n. Chr.

In der "Geschichte der Kirche" wird Nobunaga geschildert als
ein Prinz von hoher, doch schmächtiger Gestalt, mit Herz und Seele,
die alle anderen Mängel ersetzten, und einem unermesslichen Ehr-
geize. Er war nach Ansicht der Jesuitenväter ferner tapfer, gross-
müthig und kühn und nicht ohne viele ausgezeichnete Tugenden, der
Gerechtigkeit zugethan und ein Feind des Verrathes. Mit einem
raschen und durchdringenden Verstande schien er für seine Stelle

I. Geschichte des japanischen Volkes.

Endlich im Jahre 1580 ging Nobunaga auch gegen Hoganji in
Ôsaka ernstlich vor. Seit 12 Jahren waren die Bonzen dieses be-
festigten Klosters seine erklärten Feinde. Die Belagerung kostete
auf beiden Seiten viele Opfer. Schliesslich legte sich noch der Mikado
ins Mittel und bewirkte den Insassen, unter denen eine Menge Flücht-
linge sich befanden, gegen Uebergabe freien Abzug.

Zwei Jahre später, als Nobunaga noch in der Fülle seiner Körper-
kraft, seiner Macht und seines Ansehens stand, ereilte ihn in Kiôto
ein gewaltsamer Tod. Er hatte kurz zuvor zu Akuchi einen prächtigen
Tempel erbauen, die Idole aller Götter des Landes und in ihrer Mitte
eine Statue von sich selbst unter dem Titel Kusanti (erhabener Herr-
scher) aufstellen und derselben Reverenz erweisen lassen. Sein ältester
Sohn war der erste gewesen, sich vor derselben zu verneigen, dann
waren seine Vasallen und das Volk dem Beispiele gefolgt.

In Chiugoku nämlich kämpfte für ihn sein Günstling und bewähr-
tester Heerführer Hideyoshi gegen den immer noch sehr mächtigen
Môri und hatte alle verfügbaren Streitkräfte an sich gezogen. Die
letzten, welche in Kiôto sich befanden, sollte Akechi-Mitsuhide, ein
stolzer und tapferer General, demselben zuführen. Diese Gelegenheit
hielt derselbe für günstig, eine frühere Beleidigung seines Herrn zu
rächen und sich selbst auf die Spitze der Gewalt empor zu schwingen.
Er verliess mit seiner Truppe Kiôto; statt jedoch die angegebene Route
einzuschlagen, nahm er seine Capitäne auf die Seite, stellte ihnen
vor, wie Nobunaga die Götter verspottet und die Priester getödtet
habe, versprach ihnen Reichthümer und hohe Würden und gewann
sie so für seine verbrecherischen Pläne. Dann wandte er sich mit
seinem Gefolge um, erschien plötzlich wieder in Kiôto und umringte
Honnoji, den Tempel, in welchem Nobunaga wohnte. Als dieser
ein Fenster öffnete, um nach der Ursache des zu ihm dringenden
Lärmes zu sehen, erkannte er alsbald seine Lage, denn es folgte
ein Hagel von Pfeilen auf ihn, deren einer ihn in der Schulter ver-
wundete. An ein Entkommen war nicht zu denken. So legte er
Feuer an seine Wohnung und verbrannte mit ihr im 39. Jahre seines
Lebens 1582 n. Chr.

In der »Geschichte der Kirche« wird Nobunaga geschildert als
ein Prinz von hoher, doch schmächtiger Gestalt, mit Herz und Seele,
die alle anderen Mängel ersetzten, und einem unermesslichen Ehr-
geize. Er war nach Ansicht der Jesuitenväter ferner tapfer, gross-
müthig und kühn und nicht ohne viele ausgezeichnete Tugenden, der
Gerechtigkeit zugethan und ein Feind des Verrathes. Mit einem
raschen und durchdringenden Verstande schien er für seine Stelle

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[310/0336] I. Geschichte des japanischen Volkes. Endlich im Jahre 1580 ging Nobunaga auch gegen Hoganji in Ôsaka ernstlich vor. Seit 12 Jahren waren die Bonzen dieses be- festigten Klosters seine erklärten Feinde. Die Belagerung kostete auf beiden Seiten viele Opfer. Schliesslich legte sich noch der Mikado ins Mittel und bewirkte den Insassen, unter denen eine Menge Flücht- linge sich befanden, gegen Uebergabe freien Abzug. Zwei Jahre später, als Nobunaga noch in der Fülle seiner Körper- kraft, seiner Macht und seines Ansehens stand, ereilte ihn in Kiôto ein gewaltsamer Tod. Er hatte kurz zuvor zu Akuchi einen prächtigen Tempel erbauen, die Idole aller Götter des Landes und in ihrer Mitte eine Statue von sich selbst unter dem Titel Kusanti (erhabener Herr- scher) aufstellen und derselben Reverenz erweisen lassen. Sein ältester Sohn war der erste gewesen, sich vor derselben zu verneigen, dann waren seine Vasallen und das Volk dem Beispiele gefolgt. In Chiugoku nämlich kämpfte für ihn sein Günstling und bewähr- tester Heerführer Hideyoshi gegen den immer noch sehr mächtigen Môri und hatte alle verfügbaren Streitkräfte an sich gezogen. Die letzten, welche in Kiôto sich befanden, sollte Akechi-Mitsuhide, ein stolzer und tapferer General, demselben zuführen. Diese Gelegenheit hielt derselbe für günstig, eine frühere Beleidigung seines Herrn zu rächen und sich selbst auf die Spitze der Gewalt empor zu schwingen. Er verliess mit seiner Truppe Kiôto; statt jedoch die angegebene Route einzuschlagen, nahm er seine Capitäne auf die Seite, stellte ihnen vor, wie Nobunaga die Götter verspottet und die Priester getödtet habe, versprach ihnen Reichthümer und hohe Würden und gewann sie so für seine verbrecherischen Pläne. Dann wandte er sich mit seinem Gefolge um, erschien plötzlich wieder in Kiôto und umringte Honnoji, den Tempel, in welchem Nobunaga wohnte. Als dieser ein Fenster öffnete, um nach der Ursache des zu ihm dringenden Lärmes zu sehen, erkannte er alsbald seine Lage, denn es folgte ein Hagel von Pfeilen auf ihn, deren einer ihn in der Schulter ver- wundete. An ein Entkommen war nicht zu denken. So legte er Feuer an seine Wohnung und verbrannte mit ihr im 39. Jahre seines Lebens 1582 n. Chr. In der »Geschichte der Kirche« wird Nobunaga geschildert als ein Prinz von hoher, doch schmächtiger Gestalt, mit Herz und Seele, die alle anderen Mängel ersetzten, und einem unermesslichen Ehr- geize. Er war nach Ansicht der Jesuitenväter ferner tapfer, gross- müthig und kühn und nicht ohne viele ausgezeichnete Tugenden, der Gerechtigkeit zugethan und ein Feind des Verrathes. Mit einem raschen und durchdringenden Verstande schien er für seine Stelle

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/336>, abgerufen am 21.06.2024.