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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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I. Geschichte des japanischen Volkes.
schaft und noch eclatanter und etwas früher durch die Ermordung
von einem Offizier und zehn Matrosen eines französischen Kriegs-
schiffes zu Sakai, zwei Meilen östlich von Osaka, durch Tosatruppen.
Der französische Gesandte zog seine Flagge ein und forderte: 1. Die
öffentliche Hinrichtung der Schuldigen, einschliesslich der Offiziere,
welche über dieselben den Befehl hatten; 2. eine Indemnität von
150000 Dollars für die Verwandten der Opfer; 3. eine Apologie
Seitens des Ministers der fremden Angelegenheiten im Namen der Re-
gierung; 4. eine Apologie des Fürsten von Tosa; 5. Ausschluss der
Tosatruppen von den Vertragshäfen. Die Regierung und der Fürst
von Tosa beklagten den Vorfall selbst auf das lebhafteste, willigten
bereitwilligst in die Forderungen ein und hatten drei Tage später
20 Mörder, darunter 2 Offiziere, in einem Tempel zu Sakai bereit,
um vor japanischen und französischen Zeugen das Harakiri vornehmen
zu lassen. Nachdem 11 derselben es ausgeführt, wurde auf Ver-
wendung des commandierenden französischen Capitäns den übrigen
das Leben geschenkt.

Nach dem oben angedeuteten Mordanfalle in Kioto, welcher statt-
fand, als Sir Harry Parkes und Gefolge durch die Strassen der Stadt
zog, um dem Mikado seine Aufwartung zu machen, wurde auf Wunsch
des englischen Gesandten eine Proclamation erlassen, in welcher der
Mikado seine Absicht aussprach, die Verträge zu achten, mit den
fremden Nationen in freundschaftlichem Verkehr zu bleiben und jeden
Samurai aufs strengste zu bestrafen, der diesen seinen Willen miss-
achte und sich feindseliger Handlungen gegen einen Fremden schuldig
mache. Ungefähr zur selben Zeit erneute die Regierung das alte
Edict gegen das Christenthum: "Die böse Secte, Christen genannt,
ist streng verboten. Verdächtige Personen sollen den betreffenden
Beamten angezeigt und Belohnungen (für die Anzeige) ausgetheilt
werden". Alle Remonstrationen gegen dieses Edict seitens der frem-
den Gesandten halfen nichts, die Regierung war nur zu einer mil-
deren Fassung und Beseitigung des Ausdruckes "böse Secte" zu be-
wegen, indem sie hervorhob, dass die allgemeine Abneigung gegen
das Christenthum und die Furcht vor demselben zu gross sei, um der
öffentlichen Meinung entgegen handeln zu können. Im Jahre zuvor
war die Christengemeinde zu Urakami bei Nagasaki (siehe pag. 357)
entdeckt worden. Im Juni 1868 befahl die Regierung, die 3000 Seelen
derselben in die Verbannung zu schicken und als Arbeiter unter 34
Daimio zu vertheilen. Sie sandte Kido (siehe pag. 393) nach Naga-
saki, um die Ausführung dieses Befehles zu überwachen. Der eng-
lische Consul Flowers daselbst remonstrierte, konnte aber nicht ver-

I. Geschichte des japanischen Volkes.
schaft und noch eclatanter und etwas früher durch die Ermordung
von einem Offizier und zehn Matrosen eines französischen Kriegs-
schiffes zu Sakai, zwei Meilen östlich von Ôsaka, durch Tosatruppen.
Der französische Gesandte zog seine Flagge ein und forderte: 1. Die
öffentliche Hinrichtung der Schuldigen, einschliesslich der Offiziere,
welche über dieselben den Befehl hatten; 2. eine Indemnität von
150000 Dollars für die Verwandten der Opfer; 3. eine Apologie
Seitens des Ministers der fremden Angelegenheiten im Namen der Re-
gierung; 4. eine Apologie des Fürsten von Tosa; 5. Ausschluss der
Tosatruppen von den Vertragshäfen. Die Regierung und der Fürst
von Tosa beklagten den Vorfall selbst auf das lebhafteste, willigten
bereitwilligst in die Forderungen ein und hatten drei Tage später
20 Mörder, darunter 2 Offiziere, in einem Tempel zu Sakai bereit,
um vor japanischen und französischen Zeugen das Harakiri vornehmen
zu lassen. Nachdem 11 derselben es ausgeführt, wurde auf Ver-
wendung des commandierenden französischen Capitäns den übrigen
das Leben geschenkt.

Nach dem oben angedeuteten Mordanfalle in Kiôto, welcher statt-
fand, als Sir Harry Parkes und Gefolge durch die Strassen der Stadt
zog, um dem Mikado seine Aufwartung zu machen, wurde auf Wunsch
des englischen Gesandten eine Proclamation erlassen, in welcher der
Mikado seine Absicht aussprach, die Verträge zu achten, mit den
fremden Nationen in freundschaftlichem Verkehr zu bleiben und jeden
Samurai aufs strengste zu bestrafen, der diesen seinen Willen miss-
achte und sich feindseliger Handlungen gegen einen Fremden schuldig
mache. Ungefähr zur selben Zeit erneute die Regierung das alte
Edict gegen das Christenthum: »Die böse Secte, Christen genannt,
ist streng verboten. Verdächtige Personen sollen den betreffenden
Beamten angezeigt und Belohnungen (für die Anzeige) ausgetheilt
werden«. Alle Remonstrationen gegen dieses Edict seitens der frem-
den Gesandten halfen nichts, die Regierung war nur zu einer mil-
deren Fassung und Beseitigung des Ausdruckes »böse Secte« zu be-
wegen, indem sie hervorhob, dass die allgemeine Abneigung gegen
das Christenthum und die Furcht vor demselben zu gross sei, um der
öffentlichen Meinung entgegen handeln zu können. Im Jahre zuvor
war die Christengemeinde zu Urakami bei Nagasaki (siehe pag. 357)
entdeckt worden. Im Juni 1868 befahl die Regierung, die 3000 Seelen
derselben in die Verbannung zu schicken und als Arbeiter unter 34
Daimio zu vertheilen. Sie sandte Kido (siehe pag. 393) nach Naga-
saki, um die Ausführung dieses Befehles zu überwachen. Der eng-
lische Consul Flowers daselbst remonstrierte, konnte aber nicht ver-

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[414/0442] I. Geschichte des japanischen Volkes. schaft und noch eclatanter und etwas früher durch die Ermordung von einem Offizier und zehn Matrosen eines französischen Kriegs- schiffes zu Sakai, zwei Meilen östlich von Ôsaka, durch Tosatruppen. Der französische Gesandte zog seine Flagge ein und forderte: 1. Die öffentliche Hinrichtung der Schuldigen, einschliesslich der Offiziere, welche über dieselben den Befehl hatten; 2. eine Indemnität von 150000 Dollars für die Verwandten der Opfer; 3. eine Apologie Seitens des Ministers der fremden Angelegenheiten im Namen der Re- gierung; 4. eine Apologie des Fürsten von Tosa; 5. Ausschluss der Tosatruppen von den Vertragshäfen. Die Regierung und der Fürst von Tosa beklagten den Vorfall selbst auf das lebhafteste, willigten bereitwilligst in die Forderungen ein und hatten drei Tage später 20 Mörder, darunter 2 Offiziere, in einem Tempel zu Sakai bereit, um vor japanischen und französischen Zeugen das Harakiri vornehmen zu lassen. Nachdem 11 derselben es ausgeführt, wurde auf Ver- wendung des commandierenden französischen Capitäns den übrigen das Leben geschenkt. Nach dem oben angedeuteten Mordanfalle in Kiôto, welcher statt- fand, als Sir Harry Parkes und Gefolge durch die Strassen der Stadt zog, um dem Mikado seine Aufwartung zu machen, wurde auf Wunsch des englischen Gesandten eine Proclamation erlassen, in welcher der Mikado seine Absicht aussprach, die Verträge zu achten, mit den fremden Nationen in freundschaftlichem Verkehr zu bleiben und jeden Samurai aufs strengste zu bestrafen, der diesen seinen Willen miss- achte und sich feindseliger Handlungen gegen einen Fremden schuldig mache. Ungefähr zur selben Zeit erneute die Regierung das alte Edict gegen das Christenthum: »Die böse Secte, Christen genannt, ist streng verboten. Verdächtige Personen sollen den betreffenden Beamten angezeigt und Belohnungen (für die Anzeige) ausgetheilt werden«. Alle Remonstrationen gegen dieses Edict seitens der frem- den Gesandten halfen nichts, die Regierung war nur zu einer mil- deren Fassung und Beseitigung des Ausdruckes »böse Secte« zu be- wegen, indem sie hervorhob, dass die allgemeine Abneigung gegen das Christenthum und die Furcht vor demselben zu gross sei, um der öffentlichen Meinung entgegen handeln zu können. Im Jahre zuvor war die Christengemeinde zu Urakami bei Nagasaki (siehe pag. 357) entdeckt worden. Im Juni 1868 befahl die Regierung, die 3000 Seelen derselben in die Verbannung zu schicken und als Arbeiter unter 34 Daimio zu vertheilen. Sie sandte Kido (siehe pag. 393) nach Naga- saki, um die Ausführung dieses Befehles zu überwachen. Der eng- lische Consul Flowers daselbst remonstrierte, konnte aber nicht ver-

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/442>, abgerufen am 22.11.2024.