ein Leben unter demselben Dach, ja ich habe Japaner gekannt, welche achtmal in ihrem Leben abgebrannt waren. Unter solchen Umständen ist es gut, dass nicht viel Hauseinrichtung mitverbrennen kann und die Errichtung einer neuen Wohnstätte nicht so schwierig ist als bei uns. Aber es wird durch diese häufigen Brände ein grosses Quantum Holz und ein ansehnlicher Theil des Nationalwohlstandes vernichtet. Brandkassen, die Wohnungen zu versichern, gibt es nicht; auch sind diese nicht geeignet, als Versicherungsobjecte bei Geldanlagen zu dienen.
In dem grossen Häusermeere von Tokio sind Feuersbrünste überaus häufig und erhellen bald von hier, bald von dort aus weithin die dunkele Nacht. "Kuwaji (kaji) -wa Yedo no hana da" -- die Feuersbrunst ist Yedos Blume --, sagt eine alte bekannte Redensart; ja eine Blume, die bald Diesem, bald Jenem blüht und ihn hinaustreibt, um Hilfe zu suchen bei Freunden und Verwandten, die nicht unterlassen, ihm zur Errichtung eines neuen Hauses nach Kräften beizustehen. Mit unendlichem Gleichmuthe und beneidens- werther Ruhe ergibt sich der Japaner in ein solches Unglück und trägt im grossen Tuche auf dem Rücken hinweg, was er von seinem bescheidenen Hausrathe zu retten vermag.
Oft sieht man in den Strassen eine hohe Leiter angebracht, neben der oben eine Glocke hängt. Sie dienen zur Umschau und um Signale zu geben bei ausgebrochener Feuersbrunst. Auch gewahrt man da und dort zur Seite der Häuser über einander stehende Kübel mit Wasser, um zum Löschen bereit zu sein. Dieses wird von Feuer- wehren geleitet, welche schon seit sehr lange im Lande bestehen und gut organisiert sein sollen. Kaufleute und sonstige wohlhabendere Personen besitzen in kurzer Entfernung von ihrem Wohnhause eine kura oder dozo, d. i. ein feuerfestes, weiss übertünchtes Gebäude aus dicken Lehm- und Schlammwänden, worin Waaren und Werth- gegenstände jeder Art aufbewahrt werden. Die Engländer nennen solche Gebäude in China und Japan "godowns".
Abgesehen von der grossen Feuersgefahr ist die Bauart der japa- nischen Häuser ohne Zweifel auch dem Klima schlecht angepasst. Gewährt dieselbe auch den heissen Sommer über kühle, luftige Räume, so bietet sie dagegen während des viel längeren rauhen Winters keinen genügenden Schutz gegen die überall durch Fugen und Ritze eindringende kalte Luft. Für die kälteren Landestheile ist desshalb ein behagliches Wohnen in einem japanischen Hause selbst dem ab- gehärteteren Eingeborenen kaum möglich und schon aus diesem Grunde der allmähliche Uebergang in einen solideren Baustyl, der in ratio-
3. Kleidung, Wohnung und Nahrung der Japaner etc.
ein Leben unter demselben Dach, ja ich habe Japaner gekannt, welche achtmal in ihrem Leben abgebrannt waren. Unter solchen Umständen ist es gut, dass nicht viel Hauseinrichtung mitverbrennen kann und die Errichtung einer neuen Wohnstätte nicht so schwierig ist als bei uns. Aber es wird durch diese häufigen Brände ein grosses Quantum Holz und ein ansehnlicher Theil des Nationalwohlstandes vernichtet. Brandkassen, die Wohnungen zu versichern, gibt es nicht; auch sind diese nicht geeignet, als Versicherungsobjecte bei Geldanlagen zu dienen.
In dem grossen Häusermeere von Tôkio sind Feuersbrünste überaus häufig und erhellen bald von hier, bald von dort aus weithin die dunkele Nacht. »Kuwaji (kaji) -wa Yedo no hana da« — die Feuersbrunst ist Yedos Blume —, sagt eine alte bekannte Redensart; ja eine Blume, die bald Diesem, bald Jenem blüht und ihn hinaustreibt, um Hilfe zu suchen bei Freunden und Verwandten, die nicht unterlassen, ihm zur Errichtung eines neuen Hauses nach Kräften beizustehen. Mit unendlichem Gleichmuthe und beneidens- werther Ruhe ergibt sich der Japaner in ein solches Unglück und trägt im grossen Tuche auf dem Rücken hinweg, was er von seinem bescheidenen Hausrathe zu retten vermag.
Oft sieht man in den Strassen eine hohe Leiter angebracht, neben der oben eine Glocke hängt. Sie dienen zur Umschau und um Signale zu geben bei ausgebrochener Feuersbrunst. Auch gewahrt man da und dort zur Seite der Häuser über einander stehende Kübel mit Wasser, um zum Löschen bereit zu sein. Dieses wird von Feuer- wehren geleitet, welche schon seit sehr lange im Lande bestehen und gut organisiert sein sollen. Kaufleute und sonstige wohlhabendere Personen besitzen in kurzer Entfernung von ihrem Wohnhause eine kura oder dozô, d. i. ein feuerfestes, weiss übertünchtes Gebäude aus dicken Lehm- und Schlammwänden, worin Waaren und Werth- gegenstände jeder Art aufbewahrt werden. Die Engländer nennen solche Gebäude in China und Japan »godowns«.
Abgesehen von der grossen Feuersgefahr ist die Bauart der japa- nischen Häuser ohne Zweifel auch dem Klima schlecht angepasst. Gewährt dieselbe auch den heissen Sommer über kühle, luftige Räume, so bietet sie dagegen während des viel längeren rauhen Winters keinen genügenden Schutz gegen die überall durch Fugen und Ritze eindringende kalte Luft. Für die kälteren Landestheile ist desshalb ein behagliches Wohnen in einem japanischen Hause selbst dem ab- gehärteteren Eingeborenen kaum möglich und schon aus diesem Grunde der allmähliche Uebergang in einen solideren Baustyl, der in ratio-
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3. Kleidung, Wohnung und Nahrung der Japaner etc.
ein Leben unter demselben Dach, ja ich habe Japaner gekannt, welche
achtmal in ihrem Leben abgebrannt waren. Unter solchen Umständen
ist es gut, dass nicht viel Hauseinrichtung mitverbrennen kann und
die Errichtung einer neuen Wohnstätte nicht so schwierig ist als bei
uns. Aber es wird durch diese häufigen Brände ein grosses Quantum
Holz und ein ansehnlicher Theil des Nationalwohlstandes vernichtet.
Brandkassen, die Wohnungen zu versichern, gibt es nicht; auch sind
diese nicht geeignet, als Versicherungsobjecte bei Geldanlagen zu
dienen.
In dem grossen Häusermeere von Tôkio sind Feuersbrünste
überaus häufig und erhellen bald von hier, bald von dort aus
weithin die dunkele Nacht. »Kuwaji (kaji) -wa Yedo no hana da«
— die Feuersbrunst ist Yedos Blume —, sagt eine alte bekannte
Redensart; ja eine Blume, die bald Diesem, bald Jenem blüht und
ihn hinaustreibt, um Hilfe zu suchen bei Freunden und Verwandten,
die nicht unterlassen, ihm zur Errichtung eines neuen Hauses nach
Kräften beizustehen. Mit unendlichem Gleichmuthe und beneidens-
werther Ruhe ergibt sich der Japaner in ein solches Unglück und
trägt im grossen Tuche auf dem Rücken hinweg, was er von seinem
bescheidenen Hausrathe zu retten vermag.
Oft sieht man in den Strassen eine hohe Leiter angebracht, neben
der oben eine Glocke hängt. Sie dienen zur Umschau und um Signale
zu geben bei ausgebrochener Feuersbrunst. Auch gewahrt man da
und dort zur Seite der Häuser über einander stehende Kübel mit
Wasser, um zum Löschen bereit zu sein. Dieses wird von Feuer-
wehren geleitet, welche schon seit sehr lange im Lande bestehen und
gut organisiert sein sollen. Kaufleute und sonstige wohlhabendere
Personen besitzen in kurzer Entfernung von ihrem Wohnhause eine
kura oder dozô, d. i. ein feuerfestes, weiss übertünchtes Gebäude
aus dicken Lehm- und Schlammwänden, worin Waaren und Werth-
gegenstände jeder Art aufbewahrt werden. Die Engländer nennen
solche Gebäude in China und Japan »godowns«.
Abgesehen von der grossen Feuersgefahr ist die Bauart der japa-
nischen Häuser ohne Zweifel auch dem Klima schlecht angepasst.
Gewährt dieselbe auch den heissen Sommer über kühle, luftige Räume,
so bietet sie dagegen während des viel längeren rauhen Winters
keinen genügenden Schutz gegen die überall durch Fugen und Ritze
eindringende kalte Luft. Für die kälteren Landestheile ist desshalb
ein behagliches Wohnen in einem japanischen Hause selbst dem ab-
gehärteteren Eingeborenen kaum möglich und schon aus diesem Grunde
der allmähliche Uebergang in einen solideren Baustyl, der in ratio-
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 485. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/519>, abgerufen am 22.11.2024.
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