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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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II. Ethnographie.
neller Weise den verschiedenen Anforderungen an ein Wohnhaus
Rechnung trägt, geboten.

Nicht jeder japanische Hausbesitzer, zumal in Städten, erfreut
sich zugleich auch eines niwa oder Blumengartens; aber was
dem bescheidensten deutschen Gärtchen nur ausnahmsweise fehlt, die
Laube, erblicken wir im japanischen nie. Es ist nur zum Beschauen,
nicht zu längerem Aufenthalte bestimmt, mit viel Geschmack und
Raffinement angelegt, mit Sorgfalt gepflegt. Fehlt der kleine Weiher,
in welchem Goldfische und Schildkröten sich tummeln und im Hoch-
sommer Lotosblumen ihre reizenden Blätter und Blüthen erheben und
entfalten, so ist doch Raum für ein bescheideneres Wasserbecken mit
Salamandern, für einen niedlichen kleinen Steg, für Felsgruppen mit
schönen Zwergformen von Bäumen und Sträuchern und derlei mehr.
Oft muss man sich jedoch mit einem Busche des Nanten (Nandina
domestica) oder in selteneren Fällen einer kleinen südchinesischen
Fächerpalme, dem to-shiro (Rhapis flabelliformis Ait.) im engen Hof-
raume begnügen. Obst- und Gemüsegärten fehlen bei den Häusern.

Der nebenstehende Holzschnitt zeigt uns den Garten des Tempels
Kameido in Honjo-ku (im Plan mit 4 bezeichnet) zu Tokio, Stein-
laternen und Felsgruppen, Wasser und kühne Stege, Bäume und
Sträucher unter der Scheere, krüppelhafte Kiefern, die besonders be-
liebt, und eine Art Laube mit Glycinen (Wistaria chinensis), um die
hängenden Blüthentrauben besser beschauen und bewundern zu können.

Der Japaner lebt im allgemeinen sehr mässig und frugal. In
den ältesten Zeiten vor Einführung des Buddhismus bildeten Fische,
das Fleisch wilder Thiere, Wurzeln und Früchte die Nahrung,
dann traten vegetabilische Producte des Feldes mancher Art mehr
in den Vordergrund, insbesondere das wichtigste derselben, der Reis.
Geschält und in Wasser gekocht, bildet er den wesentlichsten Be-
standtheil von jeder der drei Mahlzeiten am Tage, daher diese gozen
(d. i. im Wasser gekochter Reis) genannt und als asa-gozen, hiru-
gozen und yu-gozen, wörtlich: Morgen-, Mittag- und Abend-Reis,
unterschieden werden, wie wir von einem Morgen-, Mittag- und Abend-
Brod reden. Dennoch gibt es in Japan viele Tausende armer Ge-
birgsbewohner, welche sich freuen, wenn ihre beschränkten Felder
Gerste, Hirsearten und Buchweizen statt Reis producieren, bei wel-
chen letzterer ein Luxusartikel ist, der wohl Kranken, kleinen Kin-
dern und schwachen Greisen, selten aber gesunden Erwachsenen zu
Theil wird.

Diverse Hirsearten, Buchweizen, Gerste und Weizen sind, wie
schon angedeutet, Surrogate des Reises, welche in Form von Grütze

II. Ethnographie.
neller Weise den verschiedenen Anforderungen an ein Wohnhaus
Rechnung trägt, geboten.

Nicht jeder japanische Hausbesitzer, zumal in Städten, erfreut
sich zugleich auch eines niwa oder Blumengartens; aber was
dem bescheidensten deutschen Gärtchen nur ausnahmsweise fehlt, die
Laube, erblicken wir im japanischen nie. Es ist nur zum Beschauen,
nicht zu längerem Aufenthalte bestimmt, mit viel Geschmack und
Raffinement angelegt, mit Sorgfalt gepflegt. Fehlt der kleine Weiher,
in welchem Goldfische und Schildkröten sich tummeln und im Hoch-
sommer Lotosblumen ihre reizenden Blätter und Blüthen erheben und
entfalten, so ist doch Raum für ein bescheideneres Wasserbecken mit
Salamandern, für einen niedlichen kleinen Steg, für Felsgruppen mit
schönen Zwergformen von Bäumen und Sträuchern und derlei mehr.
Oft muss man sich jedoch mit einem Busche des Nanten (Nandina
domestica) oder in selteneren Fällen einer kleinen südchinesischen
Fächerpalme, dem tô-shiro (Rhapis flabelliformis Ait.) im engen Hof-
raume begnügen. Obst- und Gemüsegärten fehlen bei den Häusern.

Der nebenstehende Holzschnitt zeigt uns den Garten des Tempels
Kameido in Honjo-ku (im Plan mit 4 bezeichnet) zu Tôkio, Stein-
laternen und Felsgruppen, Wasser und kühne Stege, Bäume und
Sträucher unter der Scheere, krüppelhafte Kiefern, die besonders be-
liebt, und eine Art Laube mit Glycinen (Wistaria chinensis), um die
hängenden Blüthentrauben besser beschauen und bewundern zu können.

Der Japaner lebt im allgemeinen sehr mässig und frugal. In
den ältesten Zeiten vor Einführung des Buddhismus bildeten Fische,
das Fleisch wilder Thiere, Wurzeln und Früchte die Nahrung,
dann traten vegetabilische Producte des Feldes mancher Art mehr
in den Vordergrund, insbesondere das wichtigste derselben, der Reis.
Geschält und in Wasser gekocht, bildet er den wesentlichsten Be-
standtheil von jeder der drei Mahlzeiten am Tage, daher diese gozen
(d. i. im Wasser gekochter Reis) genannt und als asa-gozen, hiru-
gozen und yu-gozen, wörtlich: Morgen-, Mittag- und Abend-Reis,
unterschieden werden, wie wir von einem Morgen-, Mittag- und Abend-
Brod reden. Dennoch gibt es in Japan viele Tausende armer Ge-
birgsbewohner, welche sich freuen, wenn ihre beschränkten Felder
Gerste, Hirsearten und Buchweizen statt Reis producieren, bei wel-
chen letzterer ein Luxusartikel ist, der wohl Kranken, kleinen Kin-
dern und schwachen Greisen, selten aber gesunden Erwachsenen zu
Theil wird.

Diverse Hirsearten, Buchweizen, Gerste und Weizen sind, wie
schon angedeutet, Surrogate des Reises, welche in Form von Grütze

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[486/0520] II. Ethnographie. neller Weise den verschiedenen Anforderungen an ein Wohnhaus Rechnung trägt, geboten. Nicht jeder japanische Hausbesitzer, zumal in Städten, erfreut sich zugleich auch eines niwa oder Blumengartens; aber was dem bescheidensten deutschen Gärtchen nur ausnahmsweise fehlt, die Laube, erblicken wir im japanischen nie. Es ist nur zum Beschauen, nicht zu längerem Aufenthalte bestimmt, mit viel Geschmack und Raffinement angelegt, mit Sorgfalt gepflegt. Fehlt der kleine Weiher, in welchem Goldfische und Schildkröten sich tummeln und im Hoch- sommer Lotosblumen ihre reizenden Blätter und Blüthen erheben und entfalten, so ist doch Raum für ein bescheideneres Wasserbecken mit Salamandern, für einen niedlichen kleinen Steg, für Felsgruppen mit schönen Zwergformen von Bäumen und Sträuchern und derlei mehr. Oft muss man sich jedoch mit einem Busche des Nanten (Nandina domestica) oder in selteneren Fällen einer kleinen südchinesischen Fächerpalme, dem tô-shiro (Rhapis flabelliformis Ait.) im engen Hof- raume begnügen. Obst- und Gemüsegärten fehlen bei den Häusern. Der nebenstehende Holzschnitt zeigt uns den Garten des Tempels Kameido in Honjo-ku (im Plan mit 4 bezeichnet) zu Tôkio, Stein- laternen und Felsgruppen, Wasser und kühne Stege, Bäume und Sträucher unter der Scheere, krüppelhafte Kiefern, die besonders be- liebt, und eine Art Laube mit Glycinen (Wistaria chinensis), um die hängenden Blüthentrauben besser beschauen und bewundern zu können. Der Japaner lebt im allgemeinen sehr mässig und frugal. In den ältesten Zeiten vor Einführung des Buddhismus bildeten Fische, das Fleisch wilder Thiere, Wurzeln und Früchte die Nahrung, dann traten vegetabilische Producte des Feldes mancher Art mehr in den Vordergrund, insbesondere das wichtigste derselben, der Reis. Geschält und in Wasser gekocht, bildet er den wesentlichsten Be- standtheil von jeder der drei Mahlzeiten am Tage, daher diese gozen (d. i. im Wasser gekochter Reis) genannt und als asa-gozen, hiru- gozen und yu-gozen, wörtlich: Morgen-, Mittag- und Abend-Reis, unterschieden werden, wie wir von einem Morgen-, Mittag- und Abend- Brod reden. Dennoch gibt es in Japan viele Tausende armer Ge- birgsbewohner, welche sich freuen, wenn ihre beschränkten Felder Gerste, Hirsearten und Buchweizen statt Reis producieren, bei wel- chen letzterer ein Luxusartikel ist, der wohl Kranken, kleinen Kin- dern und schwachen Greisen, selten aber gesunden Erwachsenen zu Theil wird. Diverse Hirsearten, Buchweizen, Gerste und Weizen sind, wie schon angedeutet, Surrogate des Reises, welche in Form von Grütze

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/520>, abgerufen am 22.11.2024.