Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Reinkingk, Dietrich: Biblische Policey. Frankfurt (Main), 1653.

Bild:
<< vorherige Seite
Das ander Buch/


AXIOMA XXXV.
Bey dem Rechte muß zuweilen auch Gnade seyn.

REcht vnd Gnade erleuchten der Regenten Thron/ gleich wie Sonn vnd
Mond das Firmament deß Himmels/ vnd wird derselbe dardurch gezieh-
ret vnd bevestiget/ vnd darumb heisset man ja auch die Regenten gnädige
oder gütige Herrn. Luc. Cap. 22. vnd ist Gnade gleichsamb der Regenten
absonderliche eygene Tugend dardurch sie Gott/ dessen Eygenschafft ist Gnade vnd
Barmhertzigkeit/ zu üben/ am nächsten kommen.

Der König David fänget seinen Regenten Psalm an mit diesen Worten:
Von Gnade vnd Recht wil ich singen. Psalm. 101. das ist von Wolthat gegen die
Frommen vnd Straff gegen die Bösen. Diese beyde Dinge stehen sonderlich ei-
nem Regenten wol an. Dann wo eitel Gnade ist/ sagt D. Luther in einem Com-
mentario
über diesen 101. Psalm. vnd der Fürst sich von einem jeden melcken vnd
auff dem Maul trumpeln lässet/ nicht straffet noch zürnet/ so wird nicht allein der
Hoff/ sondern auch das Land voll böser Buben/ gehet alle Zucht vnd Ehr vnder.
Widerumb wo auch eitel oder zuviel zürnens oder Straffens ist/ da wird Tyran-
ney auß/ vnd können die Frommen nicht Athem holen/ für täglicher Furcht vnd
Sorge. Vnd haben auch die Heyden gesagt/ summum jus, summa injuria, das stren-
ge Recht ist das grösseste Vnrecht/ gleich wie widerumb mag gesagt werden von
der Gnade/ eitel Gnade ist (oder bringet endlich) die grösseste Vngnade. Masse ist
in allen Dingen gut/ da gehöret Kunst/ ja Gottes Gnade zu/ daß man treffe/ doch
in solchem Fall/ weil der Mittelkern nicht wol zutreffen ist/ so ist das am nächsten
zum Zweck geschossen/ daß die Gnade den Vorgang habe für dem Rechte/ wie auch
David in diesem Regenten Psalm die Gnade zuvor nennet vnnd darnach das
Recht. Biß hieher D. Luther: Dann die Vngnade deß Königs sagt der weise
Mann Salomo/ ist wie das Brüllen eines jungen Löwen/ aber seine Gnade ist wie
der Thaw auff dem Grasse. Proverb. Cap. 19. v. 12. Gnade ließ für Recht gehen Co-
res oder Cyrus der Persen König/ wie er das gefangene Jüdische Volck loß gabe
vnd durch offentliche publicirte Edicta jhnen die Freyheit gabe wider heimbzuzie-
hen vnd den verstöhrten Tempel zu Jerusalem wider auff zubawen/ im Buch Esra
Cap. 1. Wann ohne Schaden deß gemeinen Bestens/ vnd ohne Abbruch Göttli-
chen Gesetzes/ ein Regent Gnade erweisen kan/ so thut er löblich vnd gewinnet dar-
durch die Gemüther vnd das Hertz der Vnderthanen/ (Nulla est virtus ad reti-
nendos homines in amore efficacior lenitate. Frossard. lib. 1. Histor.
- - Ignoscere pulchrum.
)

vnd
Das ander Buch/


AXIOMA XXXV.
Bey dem Rechte muß zuweilen auch Gnade ſeyn.

REcht vnd Gnade erleuchten der Regenten Thron/ gleich wie Sonn vnd
Mond das Firmament deß Himmels/ vnd wird derſelbe dardurch gezieh-
ret vnd beveſtiget/ vnd darumb heiſſet man ja auch die Regenten gnaͤdige
oder guͤtige Herꝛn. Luc. Cap. 22. vnd iſt Gnade gleichſamb der Regenten
abſonderliche eygene Tugend dardurch ſie Gott/ deſſen Eygenſchafft iſt Gnade vnd
Barmhertzigkeit/ zu uͤben/ am naͤchſten kommen.

Der Koͤnig David faͤnget ſeinen Regenten Pſalm an mit dieſen Worten:
Von Gnade vnd Recht wil ich ſingen. Pſalm. 101. das iſt von Wolthat gegen die
Frommen vnd Straff gegen die Boͤſen. Dieſe beyde Dinge ſtehen ſonderlich ei-
nem Regenten wol an. Dann wo eitel Gnade iſt/ ſagt D. Luther in einem Com-
mentario
uͤber dieſen 101. Pſalm. vnd der Fürſt ſich von einem jeden melcken vnd
auff dem Maul trumpeln laͤſſet/ nicht ſtraffet noch zuͤrnet/ ſo wird nicht allein der
Hoff/ ſondern auch das Land voll boͤſer Buben/ gehet alle Zucht vnd Ehr vnder.
Widerumb wo auch eitel oder zuviel zuͤrnens oder Straffens iſt/ da wird Tyran-
ney auß/ vnd koͤnnen die Frommen nicht Athem holen/ fuͤr taͤglicher Furcht vnd
Sorge. Vnd haben auch die Heyden geſagt/ ſummum jus, ſumma injuria, das ſtren-
ge Recht iſt das groͤſſeſte Vnrecht/ gleich wie widerumb mag geſagt werden von
der Gnade/ eitel Gnade iſt (oder bringet endlich) die groͤſſeſte Vngnade. Maſſe iſt
in allen Dingen gut/ da gehoͤret Kunſt/ ja Gottes Gnade zu/ daß man treffe/ doch
in ſolchem Fall/ weil der Mittelkern nicht wol zutreffen iſt/ ſo iſt das am naͤchſten
zum Zweck geſchoſſen/ daß die Gnade den Vorgang habe fuͤr dem Rechte/ wie auch
David in dieſem Regenten Pſalm die Gnade zuvor nennet vnnd darnach das
Recht. Biß hieher D. Luther: Dann die Vngnade deß Koͤnigs ſagt der weiſe
Mann Salomo/ iſt wie das Bruͤllen eines jungen Loͤwen/ aber ſeine Gnade iſt wie
der Thaw auff dem Graſſe. Proverb. Cap. 19. v. 12. Gnade ließ fuͤr Recht gehen Co-
res oder Cyrus der Perſen Koͤnig/ wie er das gefangene Jüdiſche Volck loß gabe
vnd durch offentliche publicirte Edicta jhnen die Freyheit gabe wider heimbzuzie-
hen vnd den verſtoͤhrten Tempel zu Jeruſalem wider auff zubawen/ im Buch Eſra
Cap. 1. Wann ohne Schaden deß gemeinen Beſtens/ vnd ohne Abbruch Goͤttli-
chen Geſetzes/ ein Regent Gnade erweiſen kan/ ſo thut er loͤblich vnd gewinnet dar-
durch die Gemuͤther vnd das Hertz der Vnderthanen/ (Nulla eſt virtus ad reti-
nendos homines in amore efficacior lenitate. Froſſard. lib. 1. Hiſtor.
‒ ‒ Ignoſcere pulchrum.
)

vnd
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0250" n="64"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das ander Buch/</hi> </fw><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">AXIOMA XXXV</hi>.</hi><lb/> <hi rendition="#b">Bey dem Rechte muß zuweilen auch Gnade &#x017F;eyn.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">R</hi>Echt vnd Gnade erleuchten der Regenten Thron/ gleich wie Sonn vnd<lb/>
Mond das Firmament deß Himmels/ vnd wird der&#x017F;elbe dardurch gezieh-<lb/>
ret vnd beve&#x017F;tiget/ vnd darumb hei&#x017F;&#x017F;et man ja auch die Regenten gna&#x0364;dige<lb/>
oder gu&#x0364;tige Her&#xA75B;n. Luc. Cap. 22. vnd i&#x017F;t Gnade gleich&#x017F;amb der Regenten<lb/>
ab&#x017F;onderliche eygene Tugend dardurch &#x017F;ie Gott/ de&#x017F;&#x017F;en Eygen&#x017F;chafft i&#x017F;t Gnade vnd<lb/>
Barmhertzigkeit/ zu u&#x0364;ben/ am na&#x0364;ch&#x017F;ten kommen.</p><lb/>
            <p>Der Ko&#x0364;nig David fa&#x0364;nget &#x017F;einen Regenten P&#x017F;alm an mit die&#x017F;en Worten:<lb/>
Von Gnade vnd Recht wil ich &#x017F;ingen. P&#x017F;alm. 101. das i&#x017F;t von Wolthat gegen die<lb/>
Frommen vnd Straff gegen die Bo&#x0364;&#x017F;en. Die&#x017F;e beyde Dinge &#x017F;tehen &#x017F;onderlich ei-<lb/>
nem Regenten wol an. Dann wo eitel Gnade i&#x017F;t/ &#x017F;agt D. Luther in einem <hi rendition="#aq">Com-<lb/>
mentario</hi> u&#x0364;ber die&#x017F;en 101. P&#x017F;alm. vnd der Für&#x017F;t &#x017F;ich von einem jeden melcken vnd<lb/>
auff dem Maul trumpeln la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et/ nicht &#x017F;traffet noch zu&#x0364;rnet/ &#x017F;o wird nicht allein der<lb/>
Hoff/ &#x017F;ondern auch das Land voll bo&#x0364;&#x017F;er Buben/ gehet alle Zucht vnd Ehr vnder.<lb/>
Widerumb wo auch eitel oder zuviel zu&#x0364;rnens oder Straffens i&#x017F;t/ da wird Tyran-<lb/>
ney auß/ vnd ko&#x0364;nnen die Frommen nicht Athem holen/ fu&#x0364;r ta&#x0364;glicher Furcht vnd<lb/>
Sorge. Vnd haben auch die Heyden ge&#x017F;agt/ <hi rendition="#aq">&#x017F;ummum jus, &#x017F;umma injuria,</hi> das &#x017F;tren-<lb/>
ge Recht i&#x017F;t das gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e&#x017F;te Vnrecht/ gleich wie widerumb mag ge&#x017F;agt werden von<lb/>
der Gnade/ eitel Gnade i&#x017F;t (oder bringet endlich) die gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e&#x017F;te Vngnade. Ma&#x017F;&#x017F;e i&#x017F;t<lb/>
in allen Dingen gut/ da geho&#x0364;ret Kun&#x017F;t/ ja Gottes Gnade zu/ daß man treffe/ doch<lb/>
in &#x017F;olchem Fall/ weil der Mittelkern nicht wol zutreffen i&#x017F;t/ &#x017F;o i&#x017F;t das am na&#x0364;ch&#x017F;ten<lb/>
zum Zweck ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en/ daß die Gnade den Vorgang habe fu&#x0364;r dem Rechte/ wie auch<lb/>
David in die&#x017F;em Regenten P&#x017F;alm die Gnade zuvor nennet vnnd darnach das<lb/>
Recht. Biß hieher D. Luther: Dann die Vngnade deß Ko&#x0364;nigs &#x017F;agt der wei&#x017F;e<lb/>
Mann Salomo/ i&#x017F;t wie das Bru&#x0364;llen eines jungen Lo&#x0364;wen/ aber &#x017F;eine Gnade i&#x017F;t wie<lb/>
der Thaw auff dem Gra&#x017F;&#x017F;e. <hi rendition="#aq">Proverb. Cap. 19. v.</hi> 12. Gnade ließ fu&#x0364;r Recht gehen Co-<lb/>
res oder <hi rendition="#aq">Cyrus</hi> der Per&#x017F;en Ko&#x0364;nig/ wie er das gefangene Jüdi&#x017F;che Volck loß gabe<lb/>
vnd durch offentliche <hi rendition="#aq">publicirte Edicta</hi> jhnen die Freyheit gabe wider heimbzuzie-<lb/>
hen vnd den ver&#x017F;to&#x0364;hrten Tempel zu Jeru&#x017F;alem wider auff zubawen/ im Buch E&#x017F;ra<lb/>
Cap. 1. Wann ohne Schaden deß gemeinen Be&#x017F;tens/ vnd ohne Abbruch Go&#x0364;ttli-<lb/>
chen Ge&#x017F;etzes/ ein Regent Gnade erwei&#x017F;en kan/ &#x017F;o thut er lo&#x0364;blich vnd gewinnet dar-<lb/>
durch die Gemu&#x0364;ther vnd das Hertz der Vnderthanen/ (<hi rendition="#aq">Nulla e&#x017F;t virtus ad reti-<lb/>
nendos homines in amore efficacior lenitate. Fro&#x017F;&#x017F;ard. lib. 1. Hi&#x017F;tor.<lb/><hi rendition="#et">&#x2012; &#x2012; Igno&#x017F;cere pulchrum.</hi></hi>)<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">vnd</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0250] Das ander Buch/ AXIOMA XXXV. Bey dem Rechte muß zuweilen auch Gnade ſeyn. REcht vnd Gnade erleuchten der Regenten Thron/ gleich wie Sonn vnd Mond das Firmament deß Himmels/ vnd wird derſelbe dardurch gezieh- ret vnd beveſtiget/ vnd darumb heiſſet man ja auch die Regenten gnaͤdige oder guͤtige Herꝛn. Luc. Cap. 22. vnd iſt Gnade gleichſamb der Regenten abſonderliche eygene Tugend dardurch ſie Gott/ deſſen Eygenſchafft iſt Gnade vnd Barmhertzigkeit/ zu uͤben/ am naͤchſten kommen. Der Koͤnig David faͤnget ſeinen Regenten Pſalm an mit dieſen Worten: Von Gnade vnd Recht wil ich ſingen. Pſalm. 101. das iſt von Wolthat gegen die Frommen vnd Straff gegen die Boͤſen. Dieſe beyde Dinge ſtehen ſonderlich ei- nem Regenten wol an. Dann wo eitel Gnade iſt/ ſagt D. Luther in einem Com- mentario uͤber dieſen 101. Pſalm. vnd der Fürſt ſich von einem jeden melcken vnd auff dem Maul trumpeln laͤſſet/ nicht ſtraffet noch zuͤrnet/ ſo wird nicht allein der Hoff/ ſondern auch das Land voll boͤſer Buben/ gehet alle Zucht vnd Ehr vnder. Widerumb wo auch eitel oder zuviel zuͤrnens oder Straffens iſt/ da wird Tyran- ney auß/ vnd koͤnnen die Frommen nicht Athem holen/ fuͤr taͤglicher Furcht vnd Sorge. Vnd haben auch die Heyden geſagt/ ſummum jus, ſumma injuria, das ſtren- ge Recht iſt das groͤſſeſte Vnrecht/ gleich wie widerumb mag geſagt werden von der Gnade/ eitel Gnade iſt (oder bringet endlich) die groͤſſeſte Vngnade. Maſſe iſt in allen Dingen gut/ da gehoͤret Kunſt/ ja Gottes Gnade zu/ daß man treffe/ doch in ſolchem Fall/ weil der Mittelkern nicht wol zutreffen iſt/ ſo iſt das am naͤchſten zum Zweck geſchoſſen/ daß die Gnade den Vorgang habe fuͤr dem Rechte/ wie auch David in dieſem Regenten Pſalm die Gnade zuvor nennet vnnd darnach das Recht. Biß hieher D. Luther: Dann die Vngnade deß Koͤnigs ſagt der weiſe Mann Salomo/ iſt wie das Bruͤllen eines jungen Loͤwen/ aber ſeine Gnade iſt wie der Thaw auff dem Graſſe. Proverb. Cap. 19. v. 12. Gnade ließ fuͤr Recht gehen Co- res oder Cyrus der Perſen Koͤnig/ wie er das gefangene Jüdiſche Volck loß gabe vnd durch offentliche publicirte Edicta jhnen die Freyheit gabe wider heimbzuzie- hen vnd den verſtoͤhrten Tempel zu Jeruſalem wider auff zubawen/ im Buch Eſra Cap. 1. Wann ohne Schaden deß gemeinen Beſtens/ vnd ohne Abbruch Goͤttli- chen Geſetzes/ ein Regent Gnade erweiſen kan/ ſo thut er loͤblich vnd gewinnet dar- durch die Gemuͤther vnd das Hertz der Vnderthanen/ (Nulla eſt virtus ad reti- nendos homines in amore efficacior lenitate. Froſſard. lib. 1. Hiſtor. ‒ ‒ Ignoſcere pulchrum.) vnd

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/reinkingk_policey_1653
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/reinkingk_policey_1653/250
Zitationshilfe: Reinkingk, Dietrich: Biblische Policey. Frankfurt (Main), 1653, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reinkingk_policey_1653/250>, abgerufen am 21.11.2024.