Vergeblich ist indessen alle Bemühung, auszu- löschen, was überall unauslöschlich ist.
Jch bitte, Belford, halte mir meinen Un- sinn und meine Metaphoren aus des Vulca- nus Werkstätte zu gute. - - Habe ich dir nicht gesagt, daß ich vor Liebe nicht krank, sondern närrisch wäre? Warum brachte ich einen sol- chen Engel in ein solches Haus? in solche Ge- sellschaft? Und warum verstopfte ich meine Ohren nicht gegen die Sirenen, welche meine Abneigung vor den Ehestand kennen, und be- ständig die Saite berühren?
Es wäre mir nicht lieb, daß sie mir das so- gleich abgeschlagen hätte. Denn ich wüßte ge- wiß, was zwischen zwo so jungen Fräulein (so werthen, einander vom Himmel geschenkten Freundinnen) vorgienge, könnte vor jedermanns Augen kommen. Jch hätte noch mehr als je- mand Ursache, zu wünschen, daß ich ihre und der Fräulein Howe Briefe lesen möchte. Denn ich glaubte gewiß, daß sie voll vortreflicher Leh- reu seyn müßten, zumal da eine von den wer- then Correspondentinnen die Güte gehabt hät- te, meine völlige Bekehrung zu wünschen.
Sie sahe mich an, als wenn sie mich durch- sehen wollte. Mich deuchte, ich fühlte es, wie ein Strahl ihrer Augen nach dem andern mein zitterndes Eingeweide durchdrang. - - Aber sie schwieg, und ihre Worte hatten auch nicht nöthig, ihren Augen zu Hülfe zu kom- men.
Doch
Vergeblich iſt indeſſen alle Bemuͤhung, auszu- loͤſchen, was uͤberall unausloͤſchlich iſt.
Jch bitte, Belford, halte mir meinen Un- ſinn und meine Metaphoren aus des Vulca- nus Werkſtaͤtte zu gute. ‒ ‒ Habe ich dir nicht geſagt, daß ich vor Liebe nicht krank, ſondern naͤrriſch waͤre? Warum brachte ich einen ſol- chen Engel in ein ſolches Haus? in ſolche Ge- ſellſchaft? Und warum verſtopfte ich meine Ohren nicht gegen die Sirenen, welche meine Abneigung vor den Eheſtand kennen, und be- ſtaͤndig die Saite beruͤhren?
Es waͤre mir nicht lieb, daß ſie mir das ſo- gleich abgeſchlagen haͤtte. Denn ich wuͤßte ge- wiß, was zwiſchen zwo ſo jungen Fraͤulein (ſo werthen, einander vom Himmel geſchenkten Freundinnen) vorgienge, koͤnnte vor jedermanns Augen kommen. Jch haͤtte noch mehr als je- mand Urſache, zu wuͤnſchen, daß ich ihre und der Fraͤulein Howe Briefe leſen moͤchte. Denn ich glaubte gewiß, daß ſie voll vortreflicher Leh- reu ſeyn muͤßten, zumal da eine von den wer- then Correspondentinnen die Guͤte gehabt haͤt- te, meine voͤllige Bekehrung zu wuͤnſchen.
Sie ſahe mich an, als wenn ſie mich durch- ſehen wollte. Mich deuchte, ich fuͤhlte es, wie ein Strahl ihrer Augen nach dem andern mein zitterndes Eingeweide durchdrang. ‒ ‒ Aber ſie ſchwieg, und ihre Worte hatten auch nicht noͤthig, ihren Augen zu Huͤlfe zu kom- men.
Doch
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Vergeblich iſt indeſſen alle Bemuͤhung, auszu-
loͤſchen, was uͤberall unausloͤſchlich iſt.
Jch bitte, Belford, halte mir meinen Un-
ſinn und meine Metaphoren aus des Vulca-
nus Werkſtaͤtte zu gute. ‒ ‒ Habe ich dir nicht
geſagt, daß ich vor Liebe nicht krank, ſondern
naͤrriſch waͤre? Warum brachte ich einen ſol-
chen Engel in ein ſolches Haus? in ſolche Ge-
ſellſchaft? Und warum verſtopfte ich meine
Ohren nicht gegen die Sirenen, welche meine
Abneigung vor den Eheſtand kennen, und be-
ſtaͤndig die Saite beruͤhren?
Es waͤre mir nicht lieb, daß ſie mir das ſo-
gleich abgeſchlagen haͤtte. Denn ich wuͤßte ge-
wiß, was zwiſchen zwo ſo jungen Fraͤulein (ſo
werthen, einander vom Himmel geſchenkten
Freundinnen) vorgienge, koͤnnte vor jedermanns
Augen kommen. Jch haͤtte noch mehr als je-
mand Urſache, zu wuͤnſchen, daß ich ihre und
der Fraͤulein Howe Briefe leſen moͤchte. Denn
ich glaubte gewiß, daß ſie voll vortreflicher Leh-
reu ſeyn muͤßten, zumal da eine von den wer-
then Correspondentinnen die Guͤte gehabt haͤt-
te, meine voͤllige Bekehrung zu wuͤnſchen.
Sie ſahe mich an, als wenn ſie mich durch-
ſehen wollte. Mich deuchte, ich fuͤhlte es,
wie ein Strahl ihrer Augen nach dem andern
mein zitterndes Eingeweide durchdrang. ‒ ‒
Aber ſie ſchwieg, und ihre Worte hatten auch
nicht noͤthig, ihren Augen zu Huͤlfe zu kom-
men.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/196>, abgerufen am 24.11.2024.
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