[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753.und Vergebung verworfen! - - Um welche sie doch noch nachher nebst dem letzten Seegen fle- hete, damit so wol jene bei ihren künftigen Ge- wissensbissen eine Erleichterung, und ihr eignes frommes Herz einen Trost fände! - - Dennoch, ob sie gleich mit einer wilden Grausamkeit ab- gewiesen wurde, weil man glaubte, sie sei ih- rem Ende nicht so nahe, als man vorgestellet hatte, verschied sie, indem sie allen ihren Be- leidigern verziehe, und sie segnete! Dann bedachten sie, daß ihre Briefe, die Diese Nachrichten und Betrachtungen gaben den U 2
und Vergebung verworfen! ‒ ‒ Um welche ſie doch noch nachher nebſt dem letzten Seegen fle- hete, damit ſo wol jene bei ihren kuͤnftigen Ge- wiſſensbiſſen eine Erleichterung, und ihr eignes frommes Herz einen Troſt faͤnde! ‒ ‒ Dennoch, ob ſie gleich mit einer wilden Grauſamkeit ab- gewieſen wurde, weil man glaubte, ſie ſei ih- rem Ende nicht ſo nahe, als man vorgeſtellet hatte, verſchied ſie, indem ſie allen ihren Be- leidigern verziehe, und ſie ſegnete! Dann bedachten ſie, daß ihre Briefe, die Dieſe Nachrichten und Betrachtungen gaben den U 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0315" n="307"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> und Vergebung verworfen! ‒ ‒ Um welche ſie<lb/> doch noch nachher nebſt dem letzten Seegen fle-<lb/> hete, damit ſo wol jene bei ihren kuͤnftigen Ge-<lb/> wiſſensbiſſen eine Erleichterung, und ihr eignes<lb/> frommes Herz einen Troſt faͤnde! ‒ ‒ Dennoch,<lb/> ob ſie gleich mit einer wilden Grauſamkeit ab-<lb/> gewieſen wurde, weil man glaubte, ſie ſei ih-<lb/> rem Ende nicht ſo nahe, als man vorgeſtellet<lb/> hatte, verſchied ſie, indem ſie allen ihren Be-<lb/> leidigern verziehe, und ſie ſegnete!</p><lb/> <p>Dann bedachten ſie, daß ihre Briefe, die<lb/> nach ihrem Tode bekannt wurden, ſtatt der Ver-<lb/> weiſe, mit Troͤſtungen angefuͤllet waren: Daß<lb/> ſie ſich in ihrem letzten Willen ſie alle, auf ihre<lb/> Art, verbindlich gemacht hatte, ohngeachtet ſie<lb/> es weder verdienten, noch erwarteten, als wenn<lb/> ſie die Ungerechtigkeit wieder gut machen woll-<lb/> te, die ſie, nach den Begriffen einer eigennuͤtzi-<lb/> gen Partheilichkeit einiger ihrer Verwandten,<lb/> ihnen bei ihrem Großvater durch ſein Teſtament<lb/> zugefuͤget haͤtte.</p><lb/> <p>Dieſe Nachrichten und Betrachtungen gaben<lb/> beſtaͤndig Anlaß, ſich einander alles zur Laſt zu<lb/> legen; erhoͤheten ihre Betruͤbniß uͤber den Ver-<lb/> luſt eines Kindes, welches die Ehre ihrer Fami-<lb/> lie geweſen, und machten nicht ſelten, daß einer<lb/> den andern zu der Zeit, da ſie ſich ſonſt zu ver-<lb/> ſammlen pflegten, vermied, um den gegenſeiti-<lb/> gen Verweiſen zu entgehen, die ſie einander in<lb/> den <hi rendition="#fr">Augen</hi> laſen, wenn auch der <hi rendition="#fr">Mund</hi> nicht<lb/> redete. ‒ ‒ Die Stacheln in ihren Gewiſſen wur-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">U 2</fw><fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [307/0315]
und Vergebung verworfen! ‒ ‒ Um welche ſie
doch noch nachher nebſt dem letzten Seegen fle-
hete, damit ſo wol jene bei ihren kuͤnftigen Ge-
wiſſensbiſſen eine Erleichterung, und ihr eignes
frommes Herz einen Troſt faͤnde! ‒ ‒ Dennoch,
ob ſie gleich mit einer wilden Grauſamkeit ab-
gewieſen wurde, weil man glaubte, ſie ſei ih-
rem Ende nicht ſo nahe, als man vorgeſtellet
hatte, verſchied ſie, indem ſie allen ihren Be-
leidigern verziehe, und ſie ſegnete!
Dann bedachten ſie, daß ihre Briefe, die
nach ihrem Tode bekannt wurden, ſtatt der Ver-
weiſe, mit Troͤſtungen angefuͤllet waren: Daß
ſie ſich in ihrem letzten Willen ſie alle, auf ihre
Art, verbindlich gemacht hatte, ohngeachtet ſie
es weder verdienten, noch erwarteten, als wenn
ſie die Ungerechtigkeit wieder gut machen woll-
te, die ſie, nach den Begriffen einer eigennuͤtzi-
gen Partheilichkeit einiger ihrer Verwandten,
ihnen bei ihrem Großvater durch ſein Teſtament
zugefuͤget haͤtte.
Dieſe Nachrichten und Betrachtungen gaben
beſtaͤndig Anlaß, ſich einander alles zur Laſt zu
legen; erhoͤheten ihre Betruͤbniß uͤber den Ver-
luſt eines Kindes, welches die Ehre ihrer Fami-
lie geweſen, und machten nicht ſelten, daß einer
den andern zu der Zeit, da ſie ſich ſonſt zu ver-
ſammlen pflegten, vermied, um den gegenſeiti-
gen Verweiſen zu entgehen, die ſie einander in
den Augen laſen, wenn auch der Mund nicht
redete. ‒ ‒ Die Stacheln in ihren Gewiſſen wur-
den
U 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |