leicht noch zwei oder drei Mädgen, in Gedanken hatte, die durch die Hofnung, daß er sie heira- then würde, in ihr Verderben gezogen waren, da er in einem Briefe an seinen Freund Bel- ford, der in die vorhergehende Sammlung nicht mit eingerückt ist, folgendes lustige Gemählde schilderte.
"Mich deucht, sagt er, ich sehe ein junges "Paar sich einander verliebte Schmeicheleien "sagen, die beide auf einander eine Absicht haben. "Das Mädgen weiset den Liebhaber ab, wie sie "gemeiniglich thun, wenn es ihr Ernst nicht "ist: Sie ist, so wie sie jetzt ist, sehr glück- "lich. Sie kann nicht glücklicher werden: "Sie hat keine Lust, ihren ledigen Stand "zu vertauschen. Wir wollen setzen, der "Jüngling ist von denen, die es nicht aus- "drücklich bekennen, daß sie eben nicht groß "verlangen, daß sie es thun sollte. Sie hält "unter ihrer Schürze ein Netz bereit, und er "eines unter seinem Rocke. Ein jeder hat die "Absicht, es dem andern über den Kopf zu wer- "fen; sie über den seinigen, wenn ihr Stolz "befriedigt ist, und sie denket, sie sei seiner ge- "wiß; er über den ihrigen, wenn der günstige "Augenblick, auf den er gelauret, ihre Ein- "willigung zu weit getrieben hat. - - Nun las- "set uns setzen, es begiebt sich, daß er der ge- "schwindeste unter den zweien ist, und sie in "seinem Netze fängt, ehe sie ihn in dem ihrigen be- "stricken kann: Da möchte ich nun gerne wissen,
"wie
leicht noch zwei oder drei Maͤdgen, in Gedanken hatte, die durch die Hofnung, daß er ſie heira- then wuͤrde, in ihr Verderben gezogen waren, da er in einem Briefe an ſeinen Freund Bel- ford, der in die vorhergehende Sammlung nicht mit eingeruͤckt iſt, folgendes luſtige Gemaͤhlde ſchilderte.
„Mich deucht, ſagt er, ich ſehe ein junges „Paar ſich einander verliebte Schmeicheleien „ſagen, die beide auf einander eine Abſicht haben. „Das Maͤdgen weiſet den Liebhaber ab, wie ſie „gemeiniglich thun, wenn es ihr Ernſt nicht „iſt: Sie iſt, ſo wie ſie jetzt iſt, ſehr gluͤck- „lich. Sie kann nicht gluͤcklicher werden: „Sie hat keine Luſt, ihren ledigen Stand „zu vertauſchen. Wir wollen ſetzen, der „Juͤngling iſt von denen, die es nicht aus- „druͤcklich bekennen, daß ſie eben nicht groß „verlangen, daß ſie es thun ſollte. Sie haͤlt „unter ihrer Schuͤrze ein Netz bereit, und er „eines unter ſeinem Rocke. Ein jeder hat die „Abſicht, es dem andern uͤber den Kopf zu wer- „fen; ſie uͤber den ſeinigen, wenn ihr Stolz „befriedigt iſt, und ſie denket, ſie ſei ſeiner ge- „wiß; er uͤber den ihrigen, wenn der guͤnſtige „Augenblick, auf den er gelauret, ihre Ein- „willigung zu weit getrieben hat. ‒ ‒ Nun laſ- „ſet uns ſetzen, es begiebt ſich, daß er der ge- „ſchwindeſte unter den zweien iſt, und ſie in „ſeinem Netze faͤngt, ehe ſie ihn in dem ihrigen be- „ſtricken kann: Da moͤchte ich nun gerne wiſſen,
„wie
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0326"n="318"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
leicht noch zwei oder drei Maͤdgen, in Gedanken<lb/>
hatte, die durch die Hofnung, daß er ſie heira-<lb/>
then wuͤrde, in ihr Verderben gezogen waren,<lb/>
da er in einem Briefe an ſeinen Freund <hirendition="#fr">Bel-<lb/>
ford,</hi> der in die vorhergehende Sammlung nicht<lb/>
mit eingeruͤckt iſt, folgendes luſtige Gemaͤhlde<lb/>ſchilderte.</p><lb/><p>„Mich deucht, ſagt er, ich ſehe ein junges<lb/>„Paar ſich einander verliebte Schmeicheleien<lb/>„ſagen, die beide auf einander eine Abſicht haben.<lb/>„Das Maͤdgen weiſet den Liebhaber ab, wie ſie<lb/>„gemeiniglich thun, wenn es ihr Ernſt nicht<lb/>„iſt: <hirendition="#fr">Sie iſt, ſo wie ſie jetzt iſt, ſehr gluͤck-<lb/>„lich. Sie kann nicht gluͤcklicher werden:<lb/>„Sie hat keine Luſt, ihren ledigen Stand<lb/>„zu vertauſchen.</hi> Wir wollen ſetzen, der<lb/>„Juͤngling iſt von denen, die es nicht <hirendition="#fr">aus-<lb/>„druͤcklich bekennen,</hi> daß ſie eben nicht groß<lb/>„verlangen, daß ſie es <hirendition="#fr">thun ſollte.</hi> Sie haͤlt<lb/>„unter ihrer Schuͤrze ein Netz bereit, und er<lb/>„eines unter ſeinem Rocke. Ein jeder hat die<lb/>„Abſicht, es dem andern uͤber den Kopf zu wer-<lb/>„fen; ſie uͤber den ſeinigen, wenn ihr Stolz<lb/>„befriedigt iſt, und ſie denket, ſie ſei ſeiner ge-<lb/>„wiß; er uͤber den ihrigen, wenn der guͤnſtige<lb/>„Augenblick, auf den er gelauret, ihre Ein-<lb/>„willigung <hirendition="#fr">zu weit</hi> getrieben hat. ‒‒ Nun laſ-<lb/>„ſet uns ſetzen, es begiebt ſich, daß er der ge-<lb/>„ſchwindeſte unter den zweien iſt, und ſie in<lb/>„ſeinem Netze faͤngt, ehe ſie ihn in dem ihrigen be-<lb/>„ſtricken kann: Da moͤchte ich nun gerne wiſſen,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">„wie</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[318/0326]
leicht noch zwei oder drei Maͤdgen, in Gedanken
hatte, die durch die Hofnung, daß er ſie heira-
then wuͤrde, in ihr Verderben gezogen waren,
da er in einem Briefe an ſeinen Freund Bel-
ford, der in die vorhergehende Sammlung nicht
mit eingeruͤckt iſt, folgendes luſtige Gemaͤhlde
ſchilderte.
„Mich deucht, ſagt er, ich ſehe ein junges
„Paar ſich einander verliebte Schmeicheleien
„ſagen, die beide auf einander eine Abſicht haben.
„Das Maͤdgen weiſet den Liebhaber ab, wie ſie
„gemeiniglich thun, wenn es ihr Ernſt nicht
„iſt: Sie iſt, ſo wie ſie jetzt iſt, ſehr gluͤck-
„lich. Sie kann nicht gluͤcklicher werden:
„Sie hat keine Luſt, ihren ledigen Stand
„zu vertauſchen. Wir wollen ſetzen, der
„Juͤngling iſt von denen, die es nicht aus-
„druͤcklich bekennen, daß ſie eben nicht groß
„verlangen, daß ſie es thun ſollte. Sie haͤlt
„unter ihrer Schuͤrze ein Netz bereit, und er
„eines unter ſeinem Rocke. Ein jeder hat die
„Abſicht, es dem andern uͤber den Kopf zu wer-
„fen; ſie uͤber den ſeinigen, wenn ihr Stolz
„befriedigt iſt, und ſie denket, ſie ſei ſeiner ge-
„wiß; er uͤber den ihrigen, wenn der guͤnſtige
„Augenblick, auf den er gelauret, ihre Ein-
„willigung zu weit getrieben hat. ‒ ‒ Nun laſ-
„ſet uns ſetzen, es begiebt ſich, daß er der ge-
„ſchwindeſte unter den zweien iſt, und ſie in
„ſeinem Netze faͤngt, ehe ſie ihn in dem ihrigen be-
„ſtricken kann: Da moͤchte ich nun gerne wiſſen,
„wie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/326>, abgerufen am 17.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.