[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753.che von ihrer Tochter auf eine unbedachtsame Art verliebt war, pflegte indessen auszurufen: Ja, das muß ich sagen, Jungfer Hor- ton macht ihrer Lehrmeisterin Ehre! und dann zu dem Kinde: Komm hier, mein gu- tes liebes Kind! (wobei ste ihren Beifall durch einen Kuß zu erkennen gab) Wie wür- de sich dein lieber Papa gefreuet haben, mein Püppgen, wenn er so lange gelebt hätte, zu sehen, wie du zunimmst! - - Darauf beschloß sie die Unterredung mit einem zufriednen Seufzer, und lies ihre Augen die ganze Gesellschaft herumgehen, um ihr stillschwei- gendes Lob einzusammlen! Aber wie wenig dach- te die Mutter vor ihrer thörichten Liebe, was für eine Pflanze aus diesem Saamen aufwach- sen müßte! Sie stellte sich wol nichts weniger vor, als daß diese feine Erziehung zu ihrem und ihres Kindes Untergang gereichen sollte. Am allerwenigsten, daß in einer einzigen unglückli- chen Stunde beides die Ehre der Mutter und Tochter der List eines angreifenden Feindes zum Opfer dienen würde. Da das muntre Mädgen ihrem übeln Sie
che von ihrer Tochter auf eine unbedachtſame Art verliebt war, pflegte indeſſen auszurufen: Ja, das muß ich ſagen, Jungfer Hor- ton macht ihrer Lehrmeiſterin Ehre! und dann zu dem Kinde: Komm hier, mein gu- tes liebes Kind! (wobei ſte ihren Beifall durch einen Kuß zu erkennen gab) Wie wuͤr- de ſich dein lieber Papa gefreuet haben, mein Puͤppgen, wenn er ſo lange gelebt haͤtte, zu ſehen, wie du zunimmſt! ‒ ‒ Darauf beſchloß ſie die Unterredung mit einem zufriednen Seufzer, und lies ihre Augen die ganze Geſellſchaft herumgehen, um ihr ſtillſchwei- gendes Lob einzuſammlen! Aber wie wenig dach- te die Mutter vor ihrer thoͤrichten Liebe, was fuͤr eine Pflanze aus dieſem Saamen aufwach- ſen muͤßte! Sie ſtellte ſich wol nichts weniger vor, als daß dieſe feine Erziehung zu ihrem und ihres Kindes Untergang gereichen ſollte. Am allerwenigſten, daß in einer einzigen ungluͤckli- chen Stunde beides die Ehre der Mutter und Tochter der Liſt eines angreifenden Feindes zum Opfer dienen wuͤrde. Da das muntre Maͤdgen ihrem uͤbeln Sie
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che von ihrer Tochter auf eine unbedachtſame
Art verliebt war, pflegte indeſſen auszurufen:
Ja, das muß ich ſagen, Jungfer Hor-
ton macht ihrer Lehrmeiſterin Ehre! und
dann zu dem Kinde: Komm hier, mein gu-
tes liebes Kind! (wobei ſte ihren Beifall
durch einen Kuß zu erkennen gab) Wie wuͤr-
de ſich dein lieber Papa gefreuet haben,
mein Puͤppgen, wenn er ſo lange gelebt
haͤtte, zu ſehen, wie du zunimmſt! ‒ ‒
Darauf beſchloß ſie die Unterredung mit einem
zufriednen Seufzer, und lies ihre Augen die
ganze Geſellſchaft herumgehen, um ihr ſtillſchwei-
gendes Lob einzuſammlen! Aber wie wenig dach-
te die Mutter vor ihrer thoͤrichten Liebe, was
fuͤr eine Pflanze aus dieſem Saamen aufwach-
ſen muͤßte! Sie ſtellte ſich wol nichts weniger
vor, als daß dieſe feine Erziehung zu ihrem und
ihres Kindes Untergang gereichen ſollte. Am
allerwenigſten, daß in einer einzigen ungluͤckli-
chen Stunde beides die Ehre der Mutter und
Tochter der Liſt eines angreifenden Feindes zum
Opfer dienen wuͤrde.
Da das muntre Maͤdgen ihrem uͤbeln
Schickſal uͤberlaſſen war, und ſie nebſt ihrer
Schweſter Sally und andern ſich den Anfang
ihrer Liebeshaͤndel, den Fortgang derſelben, und
ihren Fall zu Gemuͤthe fuͤhreten, pflegten ſie oft
zu erzaͤhlen, daß ſie auf dieſe Art aufgewachſen
und erzogen waͤren.
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