Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881.mir scheint, es bedarf nur eines geringen Nachdenkens, um einzu- Ja man darf noch weiter gehen: es ist überhaupt sehr mir scheint, es bedarf nur eines geringen Nachdenkens, um einzu- Ja man darf noch weiter gehen: es ist überhaupt sehr <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0248" n="234"/> mir scheint, es bedarf nur eines geringen Nachdenkens, um einzu-<lb/> sehen, daſs diese ganze Argumentation auf einer falschen Voraus-<lb/> setzung beruht. Daraus, daſs Paris auf dem Lande weilt und<lb/> die Heerde weidet, daſs, wie es in der bekannten wahrscheinlich<lb/> schon im Hinblick auf die Kyprien oder des zu Grunde liegenden<lb/> Liedes gedichteten Stelle des letzten Buches der Ilias (Ω 29) heiſst,<lb/> die Göttinnen zum Gehöft des Paris kommen, folgt doch noch<lb/> keineswegs, daſs der Dichter der Kyprien auch von der Aussetzung<lb/> des Paris und dem Traum der Hekabe weiſs. Auch Anchises<lb/> weilt auf dem Lande und weidet die Heerde, als Aphrodite ihm<lb/> erscheint. Ganymed wird in der späteren Sage konsequent als<lb/> Hirte gedacht. Antiphos und Isos, die Priamiden, weiden am Ida<lb/> die Schafheerden, als Achilleus sie überfällt (Λ 106), Demokoon,<lb/> der Bastardsohn des Priamos (Δ 500), und Melanippos, der Sohn<lb/> des Hiketaon, haben bis zum Ausbruch des Krieges die Pferde-<lb/> heerden geweidet (Ο 547), ja auch Aineias wird von Achill am Ida<lb/> bei den Heerden überfallen (Υ 89). An Aussetzung kann doch in<lb/> allen diesen Fällen nicht gedacht werden. Nicht also eine Aus-<lb/> nahme, sondern ein ganz gewöhnlicher, übrigens recht beachtens-<lb/> werter Zug der Sage ist es, daſs die jungen Troer vor dem<lb/> Beginn des Krieges drauſsen die Heerden weideten; und es be-<lb/> durfte also gar keiner besonderen Motivierung, wenn die Göttinnen<lb/> Paris auf dem Ida bei seiner Heerde fanden.</p><lb/> <p>Ja man darf noch weiter gehen: es ist überhaupt sehr<lb/> zweifelhaft, ob die Sage vom Traume der Hekabe und der Aus-<lb/> setzung des Paris älter ist, als das 5. Jahrhundert, vielleicht<lb/> läſst sich sogar der Zeitpunkt ihrer Entstehung noch näher be-<lb/> stimmen. Fest steht zunächst, daſs sie dem 415 aufgeführten<lb/> Alexandros des Euripides zu Grunde lag, und in welcher Form,<lb/> das lehren uns auſser den Fragmenten vor Allem zwei Stellen des<lb/> erhaltenen dritten Stückes der Trilogie, der Troerinnen; denn mit<lb/> offenbarem Hinblick auf das erste Stück sagt V. 597 Andro-<lb/> mache zur Hekabe: das Unglück hat begonnen, ὅτε σὸς γόνος<lb/> ἔκφυγεν Ἅιδαν, und noch klarer spricht Helena in der groſsen<lb/> Streitscene mit Hekabe V. 919:</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [234/0248]
mir scheint, es bedarf nur eines geringen Nachdenkens, um einzu-
sehen, daſs diese ganze Argumentation auf einer falschen Voraus-
setzung beruht. Daraus, daſs Paris auf dem Lande weilt und
die Heerde weidet, daſs, wie es in der bekannten wahrscheinlich
schon im Hinblick auf die Kyprien oder des zu Grunde liegenden
Liedes gedichteten Stelle des letzten Buches der Ilias (Ω 29) heiſst,
die Göttinnen zum Gehöft des Paris kommen, folgt doch noch
keineswegs, daſs der Dichter der Kyprien auch von der Aussetzung
des Paris und dem Traum der Hekabe weiſs. Auch Anchises
weilt auf dem Lande und weidet die Heerde, als Aphrodite ihm
erscheint. Ganymed wird in der späteren Sage konsequent als
Hirte gedacht. Antiphos und Isos, die Priamiden, weiden am Ida
die Schafheerden, als Achilleus sie überfällt (Λ 106), Demokoon,
der Bastardsohn des Priamos (Δ 500), und Melanippos, der Sohn
des Hiketaon, haben bis zum Ausbruch des Krieges die Pferde-
heerden geweidet (Ο 547), ja auch Aineias wird von Achill am Ida
bei den Heerden überfallen (Υ 89). An Aussetzung kann doch in
allen diesen Fällen nicht gedacht werden. Nicht also eine Aus-
nahme, sondern ein ganz gewöhnlicher, übrigens recht beachtens-
werter Zug der Sage ist es, daſs die jungen Troer vor dem
Beginn des Krieges drauſsen die Heerden weideten; und es be-
durfte also gar keiner besonderen Motivierung, wenn die Göttinnen
Paris auf dem Ida bei seiner Heerde fanden.
Ja man darf noch weiter gehen: es ist überhaupt sehr
zweifelhaft, ob die Sage vom Traume der Hekabe und der Aus-
setzung des Paris älter ist, als das 5. Jahrhundert, vielleicht
läſst sich sogar der Zeitpunkt ihrer Entstehung noch näher be-
stimmen. Fest steht zunächst, daſs sie dem 415 aufgeführten
Alexandros des Euripides zu Grunde lag, und in welcher Form,
das lehren uns auſser den Fragmenten vor Allem zwei Stellen des
erhaltenen dritten Stückes der Trilogie, der Troerinnen; denn mit
offenbarem Hinblick auf das erste Stück sagt V. 597 Andro-
mache zur Hekabe: das Unglück hat begonnen, ὅτε σὸς γόνος
ἔκφυγεν Ἅιδαν, und noch klarer spricht Helena in der groſsen
Streitscene mit Hekabe V. 919:
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