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Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881.

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proton men arkhas eteken ede ton kakon
Parin tekousa; deuteron d apolese
Troian te kam o presbus ou ktanon brephos,
dalou pikron mimem Alexandron pote.

Daraus lernen wir, dass Euripides diesen Teil der Sage in der-
selben Version kannte und in seinem Alexandros in derselben Weise
behandelt hatte, wie er dem späteren Altertum geläufig war.
Hekabe träumt, dass sie eine Fackel gebiert; die Wahrsager (oder
Kassandra?) deuten den Traum auf den neugeborenen Paris,
dieser soll getötet werden, aber der Greis, dem der Mord auf-
getragen wird, erbarmt sich seiner und setzt ihn aus. Von dem
Alexandros des Sophokles besitzen wir nur wenige Fragmente,
darunter aber ein absolut entscheidendes fr. 91:

botera nikan andras astitas. ti gar;

Dies zeigt, dass die Kampfspiele vorkamen, dass Paris als Hirt,
also unerkannt, die Städter, das sind seine Brüder die Priamiden,
besiegte, und für diese Situation bildet die Aussetzung des Paris
die unumgängliche Voraussetzung. Wir konstatieren also, So-
phokles und Euripides kennen den Mythos in der uns geläufigen
Version. Um so mehr muss es befremden, dass Euripides in
einem früheren Stück diese Version nicht kennt oder wenigstens
sie als nicht bekannt oder nicht populär genug nicht befolgt.
In der zur Zeit des Archidamischen Krieges aufgeführten Andro-
mache singt der Chor V. 293--300:

All eith uper kephalan ebalen kakon
a tekousa nin Parin,
prin Idaion katoikisai lepas,
ote nin para thespesio daphna
boase Kasandra ktanein,
megalan Priamou poleos loban.
tin ouk epelthe, poion ouk elisseto
damogeronton brephos phoneuein;

Der Sinn dieser Worte kann nur der sein: vergebens fleht

πρῶτον μὲν ἀρχὰς ἔτεκεν ἥδε τῶν κακῶν
Πάριν τεκοῦσα· δεύτερον δ̕ ἀπώλεσε
Τροίαν τε κἄμ̕ ὁ πρέσβυς οὐ κτανὼν βρέφος,
δαλοῦ πικρὸν μίμημ̕ Ἀλέξανδρόν ποτε.

Daraus lernen wir, daſs Euripides diesen Teil der Sage in der-
selben Version kannte und in seinem Alexandros in derselben Weise
behandelt hatte, wie er dem späteren Altertum geläufig war.
Hekabe träumt, daſs sie eine Fackel gebiert; die Wahrsager (oder
Kassandra?) deuten den Traum auf den neugeborenen Paris,
dieser soll getötet werden, aber der Greis, dem der Mord auf-
getragen wird, erbarmt sich seiner und setzt ihn aus. Von dem
Alexandros des Sophokles besitzen wir nur wenige Fragmente,
darunter aber ein absolut entscheidendes fr. 91:

βοτῆρα νικᾶν ἄνδρας ἀστίτας. τί γάρ;

Dies zeigt, daſs die Kampfspiele vorkamen, daſs Paris als Hirt,
also unerkannt, die Städter, das sind seine Brüder die Priamiden,
besiegte, und für diese Situation bildet die Aussetzung des Paris
die unumgängliche Voraussetzung. Wir konstatieren also, So-
phokles und Euripides kennen den Mythos in der uns geläufigen
Version. Um so mehr muſs es befremden, daſs Euripides in
einem früheren Stück diese Version nicht kennt oder wenigstens
sie als nicht bekannt oder nicht populär genug nicht befolgt.
In der zur Zeit des Archidamischen Krieges aufgeführten Andro-
mache singt der Chor V. 293—300:

Ἀλλ̕ εἴϑ̕ ὑπὲρ κεφαλὰν ἔβαλεν κακὸν
ἁ τεκοῦσά νιν Πάριν,
πρὶν Ἰδαῖον κατοικίσαι λέπας,
ὅτε νιν παρὰ ϑεσπεσίῳ δάφνᾳ
βόασε Κασάνδρα κτανεῖν,
μεγάλαν Πριάμου πόλεως λώβαν.
τίν̕ οὐκ ἐπῆλϑε, ποῖον οὐκ ἐλίσσετο
δαμογερόντων βρέφος φονεύειν;

Der Sinn dieser Worte kann nur der sein: vergebens fleht

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[235/0249] πρῶτον μὲν ἀρχὰς ἔτεκεν ἥδε τῶν κακῶν Πάριν τεκοῦσα· δεύτερον δ̕ ἀπώλεσε Τροίαν τε κἄμ̕ ὁ πρέσβυς οὐ κτανὼν βρέφος, δαλοῦ πικρὸν μίμημ̕ Ἀλέξανδρόν ποτε. Daraus lernen wir, daſs Euripides diesen Teil der Sage in der- selben Version kannte und in seinem Alexandros in derselben Weise behandelt hatte, wie er dem späteren Altertum geläufig war. Hekabe träumt, daſs sie eine Fackel gebiert; die Wahrsager (oder Kassandra?) deuten den Traum auf den neugeborenen Paris, dieser soll getötet werden, aber der Greis, dem der Mord auf- getragen wird, erbarmt sich seiner und setzt ihn aus. Von dem Alexandros des Sophokles besitzen wir nur wenige Fragmente, darunter aber ein absolut entscheidendes fr. 91: βοτῆρα νικᾶν ἄνδρας ἀστίτας. τί γάρ; Dies zeigt, daſs die Kampfspiele vorkamen, daſs Paris als Hirt, also unerkannt, die Städter, das sind seine Brüder die Priamiden, besiegte, und für diese Situation bildet die Aussetzung des Paris die unumgängliche Voraussetzung. Wir konstatieren also, So- phokles und Euripides kennen den Mythos in der uns geläufigen Version. Um so mehr muſs es befremden, daſs Euripides in einem früheren Stück diese Version nicht kennt oder wenigstens sie als nicht bekannt oder nicht populär genug nicht befolgt. In der zur Zeit des Archidamischen Krieges aufgeführten Andro- mache singt der Chor V. 293—300: Ἀλλ̕ εἴϑ̕ ὑπὲρ κεφαλὰν ἔβαλεν κακὸν ἁ τεκοῦσά νιν Πάριν, πρὶν Ἰδαῖον κατοικίσαι λέπας, ὅτε νιν παρὰ ϑεσπεσίῳ δάφνᾳ βόασε Κασάνδρα κτανεῖν, μεγάλαν Πριάμου πόλεως λώβαν. τίν̕ οὐκ ἐπῆλϑε, ποῖον οὐκ ἐλίσσετο δαμογερόντων βρέφος φονεύειν; Der Sinn dieser Worte kann nur der sein: vergebens fleht

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Zitationshilfe: Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/249>, abgerufen am 09.11.2024.