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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 3, Abt. 1. Leipzig, 1895.

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Fünfte Vorlesung.
Relative auch "Unbekannte" genannt, als "die Unbekannten" bezeichnet.
Die Ermittelung eines Systems von Wurzeln heisst "eine Auflösung"
der Gleichung, und die Ermittelung (zuweilen auch blos die Angabe)
aller möglichen Systeme von Wurzeln derselben wird die allgemeine
(oder vollständige Auf-) Lösung der Gleichung zu nennen sein.

Also: mit der Gleichung ist von selbst schon die Anforderung
aufgestellt und die Verpflichtung erwachsen, dieselbe nach den in ihr
vorkommenden unbestimmten Relativen als "Unbekannten" "aufzulösen";
die Gleichung involvirt, statuirt uns ein Problem.

Hierbei können zwei extreme oder Grenz-Fälle vorkommen:

Einerseits der Fall, wo es gar kein System von Wurzeln gibt. In
diesem Falle ist durch die Gleichung eine Anforderung gestellt, welche
unmöglich zu erfüllen ist, die Aufgabe bleibt unlösbar und die Glei-
chung unzulässig (ihre "Wurzeln" -- falls man noch von solchen
sprechen will hier, wo es gar keine gibt, während sie allerdings doch
bereits in Gestalt von x, .. Namen besitzen, sozusagen voreilig erhalten
haben -- wären im Gebiet der Relative "undeutig", d. i. eben deu-
tungsunfähig, zu nennen). Wir sagen in solchem Falle: "die Resul-
tante der Elimination" sämtlicher Unbekannten aus der Gleichung,
oder auch irgendwelcher von ihnen, sei die "absurde" 0, nämlich die
Gleichung 1 = 0, und wir dürfen auch die Gleichung f = 0 selber
"absurd" nennen, desgleichen sie als eine "Inkonsistenz" (im weiteren
Sinne des Worts) bezeichnen.

Andrerseits kann der Fall vorkommen, wo jedes System von
(ebensoviel) Relativen (als wieviel Unbekannte vorhanden sind) auch
ein System von Wurzeln ist, nämlich die Gleichung f = 0 erfüllt. In
diesem Falle nennen wir die Gleichung eine "allgemeingültige", "ana-
lytische
", "selbstverständliche", auch eine "Identität", oder eine Formel
[-- in jedem andern Fall dagegen eine "synthetische"], ihre Wurzeln
bleiben unbestimmt, resp. willkürlich, beliebig, arbiträr. Auch sagen
wir: die "Resultante" der Elimination sämtlicher Unbekannten (oder
auch irgend welcher von ihnen) aus der Gleichung sei 1, sive 0 = 0,
oder auch: die Gleichung f = 0 liefere "keine Resultante". Und von
der Gleichung f = 0 selber sagen wir, sie sei "nichtssagend", laufe auf
ebendiese Behauptung 0 = 0 hinaus; sie liefert dann in der That keine
Bestimmung, gewährt keinerlei Information über die in ihr vorkom-
menden unbestimmten Relative.

Für die beiden hiernach auf die Resultante 1 = 0 resp. 0 = 0
führenden Grenzfälle kann man sagen, dass bei jeder Elimination sämt-
liche Unbekannte "aus der Gleichung f = 0 herausfielen".


Fünfte Vorlesung.
Relative auch „Unbekannte“ genannt, als „die Unbekannten“ bezeichnet.
Die Ermittelung eines Systems von Wurzeln heisst „eine Auflösung“
der Gleichung, und die Ermittelung (zuweilen auch blos die Angabe)
aller möglichen Systeme von Wurzeln derselben wird die allgemeine
(oder vollständige Auf-) Lösung der Gleichung zu nennen sein.

Also: mit der Gleichung ist von selbst schon die Anforderung
aufgestellt und die Verpflichtung erwachsen, dieselbe nach den in ihr
vorkommenden unbestimmten Relativen als „Unbekannten“ „aufzulösen“;
die Gleichung involvirt, statuirt uns ein Problem.

Hierbei können zwei extreme oder Grenz-Fälle vorkommen:

Einerseits der Fall, wo es gar kein System von Wurzeln gibt. In
diesem Falle ist durch die Gleichung eine Anforderung gestellt, welche
unmöglich zu erfüllen ist, die Aufgabe bleibt unlösbar und die Glei-
chung unzulässig (ihre „Wurzeln“ — falls man noch von solchen
sprechen will hier, wo es gar keine gibt, während sie allerdings doch
bereits in Gestalt von x, ‥ Namen besitzen, sozusagen voreilig erhalten
haben — wären im Gebiet der Relative „undeutig“, d. i. eben deu-
tungsunfähig, zu nennen). Wir sagen in solchem Falle: „die Resul-
tante der Elimination“ sämtlicher Unbekannten aus der Gleichung,
oder auch irgendwelcher von ihnen, sei die „absurde“ 0, nämlich die
Gleichung 1 = 0, und wir dürfen auch die Gleichung f = 0 selber
absurd“ nennen, desgleichen sie als eine „Inkonsistenz“ (im weiteren
Sinne des Worts) bezeichnen.

Andrerseits kann der Fall vorkommen, wo jedes System von
(ebensoviel) Relativen (als wieviel Unbekannte vorhanden sind) auch
ein System von Wurzeln ist, nämlich die Gleichung f = 0 erfüllt. In
diesem Falle nennen wir die Gleichung eine „allgemeingültige“, „ana-
lytische
“, „selbstverständliche“, auch eine „Identität“, oder eine Formel
[— in jedem andern Fall dagegen eine „synthetische“], ihre Wurzeln
bleiben unbestimmt, resp. willkürlich, beliebig, arbiträr. Auch sagen
wir: die „Resultante“ der Elimination sämtlicher Unbekannten (oder
auch irgend welcher von ihnen) aus der Gleichung sei 1, sive 0 = 0,
oder auch: die Gleichung f = 0 liefere „keine Resultante“. Und von
der Gleichung f = 0 selber sagen wir, sie sei „nichtssagend“, laufe auf
ebendiese Behauptung 0 = 0 hinaus; sie liefert dann in der That keine
Bestimmung, gewährt keinerlei Information über die in ihr vorkom-
menden unbestimmten Relative.

Für die beiden hiernach auf die Resultante 1 = 0 resp. 0 = 0
führenden Grenzfälle kann man sagen, dass bei jeder Elimination sämt-
liche Unbekannte „aus der Gleichung f = 0 herausfielen“.


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[156/0170] Fünfte Vorlesung. Relative auch „Unbekannte“ genannt, als „die Unbekannten“ bezeichnet. Die Ermittelung eines Systems von Wurzeln heisst „eine Auflösung“ der Gleichung, und die Ermittelung (zuweilen auch blos die Angabe) aller möglichen Systeme von Wurzeln derselben wird die allgemeine (oder vollständige Auf-) Lösung der Gleichung zu nennen sein. Also: mit der Gleichung ist von selbst schon die Anforderung aufgestellt und die Verpflichtung erwachsen, dieselbe nach den in ihr vorkommenden unbestimmten Relativen als „Unbekannten“ „aufzulösen“; die Gleichung involvirt, statuirt uns ein Problem. Hierbei können zwei extreme oder Grenz-Fälle vorkommen: Einerseits der Fall, wo es gar kein System von Wurzeln gibt. In diesem Falle ist durch die Gleichung eine Anforderung gestellt, welche unmöglich zu erfüllen ist, die Aufgabe bleibt unlösbar und die Glei- chung unzulässig (ihre „Wurzeln“ — falls man noch von solchen sprechen will hier, wo es gar keine gibt, während sie allerdings doch bereits in Gestalt von x, ‥ Namen besitzen, sozusagen voreilig erhalten haben — wären im Gebiet der Relative „undeutig“, d. i. eben deu- tungsunfähig, zu nennen). Wir sagen in solchem Falle: „die Resul- tante der Elimination“ sämtlicher Unbekannten aus der Gleichung, oder auch irgendwelcher von ihnen, sei die „absurde“ 0, nämlich die Gleichung 1 = 0, und wir dürfen auch die Gleichung f = 0 selber „absurd“ nennen, desgleichen sie als eine „Inkonsistenz“ (im weiteren Sinne des Worts) bezeichnen. Andrerseits kann der Fall vorkommen, wo jedes System von (ebensoviel) Relativen (als wieviel Unbekannte vorhanden sind) auch ein System von Wurzeln ist, nämlich die Gleichung f = 0 erfüllt. In diesem Falle nennen wir die Gleichung eine „allgemeingültige“, „ana- lytische“, „selbstverständliche“, auch eine „Identität“, oder eine Formel [— in jedem andern Fall dagegen eine „synthetische“], ihre Wurzeln bleiben unbestimmt, resp. willkürlich, beliebig, arbiträr. Auch sagen wir: die „Resultante“ der Elimination sämtlicher Unbekannten (oder auch irgend welcher von ihnen) aus der Gleichung sei 1, sive 0 = 0, oder auch: die Gleichung f = 0 liefere „keine Resultante“. Und von der Gleichung f = 0 selber sagen wir, sie sei „nichtssagend“, laufe auf ebendiese Behauptung 0 = 0 hinaus; sie liefert dann in der That keine Bestimmung, gewährt keinerlei Information über die in ihr vorkom- menden unbestimmten Relative. Für die beiden hiernach auf die Resultante 1 = 0 resp. 0 = 0 führenden Grenzfälle kann man sagen, dass bei jeder Elimination sämt- liche Unbekannte „aus der Gleichung f = 0 herausfielen“.

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 3, Abt. 1. Leipzig, 1895, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik03_1895/170>, abgerufen am 23.11.2024.