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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
von seiner seite zu der andern person besserung zu thun vermocht gethan hätte/ sol-
ches sein gewissen so vielmehr beruhigen würde. Ob dann nun/ wo er gleichwol
nicht drein consentiren wolte/ ich alsdann/ nicht so wohl/ weil es bloß dahin noth-
wendig/ und das sigillum sich in seinem rigor bis dahin erstreckte/ als vielmehr
um vermeidung bösen scheins/ rathen wolte/ nichts desto weniger die unzüchtige leu-
te vorzubescheiden/ und jeder aufs glimpfflichste und beweglichste zuzusprechen/ wie
man auf solche art/ davon man menschen nicht rechenschafft geben dörffte/ in er-
fahrung kommen/ daß sie mit jemand (hie würde gleichwohl die person verschwie-
gen/ und kan sie auf Ucalegonta nicht kommen/ es sage es ihr dann ihr gewissen/
und verdamme sie also selbs) auf dergleichen art in unzucht vergangen hätte: man
bete sie um GOttes willen/ daß sie solche sünde bußfertig erkennen/ und entweder
ihm/ ihrem beicht-vater/ oder auffs wenigste (massen man nicht eben blosser dings
die bekäntnüß zu fordern hat) ihrem GOtt hertzlich bekennen/ und das gantze leben
in wahrer buß führen wolle. Sie lasse nun solchen zuspruch bey sich fruchten oder
nicht/ so hat der beicht-vater das seinige gethan und muß das übrige göttlicher gna-
den-würckung überlassen/ was etwa zu einer zeit/ weil das hertz noch zu hart gewe-
sen/ nicht hat anschlagen wollen/ daß es zu einer bessern stunde durchdringe/ und
etwas ausrichte: wie dann auch nachmahl mit stätem so gebet als achtgebung bey
jeder gelegenheit auf die seelen/ die in gefahr sind fortfahrhen werden muß. Nun
der Hr. Hr. dessen die seelen sind/ und der sie durch das blut seines Sohnes erkaufft
hat/ segne meines geliebten bruders sorge auch vor diese seelen/ zeige selbs seinen
willen/ gebe die nöthige weißheit/ und lasse das wort/ daß er in seinen mund legen
wird/ so kräfftig seyn/ auch diese verirrete auff den rechten weg zu bringen/ um an
ihnen/ auch vieler anderer durch ihn zur seligkeit geführten seelen/ heil in zeit und
ewigkeit freude zu geniesen. 1690.

SECTIO XVIII.
Ein casus von dem amt eines beicht-vaters/
und wo etwas bey demselben angebracht wird.
Species facti.

ES wird eine gewisse person in causa aliqua politica bey einem des mini-
sterii
heimlich einer injustiz beschuldiget/ obwol dieselbe person bey je-
derman das zeugnüs eines gerechten und tüchtigen namens jederzeit ge-
habt/ der geistliche glaubt so bald dem obtrectatori, sagt es seinem collegae,
und dieser wieder einem andern collegen, daß er gegen den inculpatum sol-
ches gedencken solte. Dieser fragt seinen collegen, ob er auch solche wort gestehen
wolte/ denn er müste sich hierinnen wohl in acht nehmen/ neqve enim cuilibet
delatori credendum esse:
jener aber sagt nein darzu; hierauff antwortete der
andere/ so confessionarius, so trage er auch bedencken/ dem inculpato solches

vor-

Das andere Capitel.
von ſeiner ſeite zu der andern perſon beſſerung zu thun vermocht gethan haͤtte/ ſol-
ches ſein gewiſſen ſo vielmehr beruhigen wuͤrde. Ob dann nun/ wo er gleichwol
nicht drein conſentiren wolte/ ich alsdann/ nicht ſo wohl/ weil es bloß dahin noth-
wendig/ und das ſigillum ſich in ſeinem rigor bis dahin erſtreckte/ als vielmehr
um vermeidung boͤſen ſcheins/ rathen wolte/ nichts deſto weniger die unzuͤchtige leu-
te vorzubeſcheiden/ und jeder aufs glimpfflichſte und beweglichſte zuzuſprechen/ wie
man auf ſolche art/ davon man menſchen nicht rechenſchafft geben doͤrffte/ in er-
fahrung kommen/ daß ſie mit jemand (hie wuͤrde gleichwohl die perſon verſchwie-
gen/ und kan ſie auf Ucalegonta nicht kommen/ es ſage es ihr dann ihr gewiſſen/
und verdamme ſie alſo ſelbs) auf dergleichen art in unzucht vergangen haͤtte: man
bete ſie um GOttes willen/ daß ſie ſolche ſuͤnde bußfertig erkennen/ und entweder
ihm/ ihrem beicht-vater/ oder auffs wenigſte (maſſen man nicht eben bloſſer dings
die bekaͤntnuͤß zu fordern hat) ihrem GOtt hertzlich bekennen/ und das gantze leben
in wahrer buß fuͤhren wolle. Sie laſſe nun ſolchen zuſpruch bey ſich fruchten oder
nicht/ ſo hat der beicht-vater das ſeinige gethan und muß das uͤbrige goͤttlicher gna-
den-wuͤrckung uͤberlaſſen/ was etwa zu einer zeit/ weil das hertz noch zu hart gewe-
ſen/ nicht hat anſchlagen wollen/ daß es zu einer beſſern ſtunde durchdringe/ und
etwas ausrichte: wie dann auch nachmahl mit ſtaͤtem ſo gebet als achtgebung bey
jeder gelegenheit auf die ſeelen/ die in gefahr ſind fortfahrhen werden muß. Nun
der Hr. Hr. deſſen die ſeelen ſind/ und der ſie durch das blut ſeines Sohnes erkaufft
hat/ ſegne meines geliebten bruders ſorge auch vor dieſe ſeelen/ zeige ſelbs ſeinen
willen/ gebe die noͤthige weißheit/ und laſſe das wort/ daß er in ſeinen mund legen
wird/ ſo kraͤfftig ſeyn/ auch dieſe verirrete auff den rechten weg zu bringen/ um an
ihnen/ auch vieler anderer durch ihn zur ſeligkeit gefuͤhrten ſeelen/ heil in zeit und
ewigkeit freude zu genieſen. 1690.

SECTIO XVIII.
Ein caſus von dem amt eines beicht-vaters/
und wo etwas bey demſelben angebracht wird.
Species facti.

ES wird eine gewiſſe perſon in cauſa aliqua politica bey einem des mini-
ſterii
heimlich einer injuſtiz beſchuldiget/ obwol dieſelbe perſon bey je-
derman das zeugnuͤs eines gerechten und tuͤchtigen namens jederzeit ge-
habt/ der geiſtliche glaubt ſo bald dem obtrectatori, ſagt es ſeinem collegæ,
und dieſer wieder einem andern collegen, daß er gegen den inculpatum ſol-
ches gedencken ſolte. Dieſer fragt ſeinen collegen, ob er auch ſolche wort geſtehen
wolte/ denn er muͤſte ſich hierinnen wohl in acht nehmen/ neqve enim cuilibet
delatori credendum eſſe:
jener aber ſagt nein darzu; hierauff antwortete der
andere/ ſo confesſionarius, ſo trage er auch bedencken/ dem inculpato ſolches

vor-
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[242/1042] Das andere Capitel. von ſeiner ſeite zu der andern perſon beſſerung zu thun vermocht gethan haͤtte/ ſol- ches ſein gewiſſen ſo vielmehr beruhigen wuͤrde. Ob dann nun/ wo er gleichwol nicht drein conſentiren wolte/ ich alsdann/ nicht ſo wohl/ weil es bloß dahin noth- wendig/ und das ſigillum ſich in ſeinem rigor bis dahin erſtreckte/ als vielmehr um vermeidung boͤſen ſcheins/ rathen wolte/ nichts deſto weniger die unzuͤchtige leu- te vorzubeſcheiden/ und jeder aufs glimpfflichſte und beweglichſte zuzuſprechen/ wie man auf ſolche art/ davon man menſchen nicht rechenſchafft geben doͤrffte/ in er- fahrung kommen/ daß ſie mit jemand (hie wuͤrde gleichwohl die perſon verſchwie- gen/ und kan ſie auf Ucalegonta nicht kommen/ es ſage es ihr dann ihr gewiſſen/ und verdamme ſie alſo ſelbs) auf dergleichen art in unzucht vergangen haͤtte: man bete ſie um GOttes willen/ daß ſie ſolche ſuͤnde bußfertig erkennen/ und entweder ihm/ ihrem beicht-vater/ oder auffs wenigſte (maſſen man nicht eben bloſſer dings die bekaͤntnuͤß zu fordern hat) ihrem GOtt hertzlich bekennen/ und das gantze leben in wahrer buß fuͤhren wolle. Sie laſſe nun ſolchen zuſpruch bey ſich fruchten oder nicht/ ſo hat der beicht-vater das ſeinige gethan und muß das uͤbrige goͤttlicher gna- den-wuͤrckung uͤberlaſſen/ was etwa zu einer zeit/ weil das hertz noch zu hart gewe- ſen/ nicht hat anſchlagen wollen/ daß es zu einer beſſern ſtunde durchdringe/ und etwas ausrichte: wie dann auch nachmahl mit ſtaͤtem ſo gebet als achtgebung bey jeder gelegenheit auf die ſeelen/ die in gefahr ſind fortfahrhen werden muß. Nun der Hr. Hr. deſſen die ſeelen ſind/ und der ſie durch das blut ſeines Sohnes erkaufft hat/ ſegne meines geliebten bruders ſorge auch vor dieſe ſeelen/ zeige ſelbs ſeinen willen/ gebe die noͤthige weißheit/ und laſſe das wort/ daß er in ſeinen mund legen wird/ ſo kraͤfftig ſeyn/ auch dieſe verirrete auff den rechten weg zu bringen/ um an ihnen/ auch vieler anderer durch ihn zur ſeligkeit gefuͤhrten ſeelen/ heil in zeit und ewigkeit freude zu genieſen. 1690. SECTIO XVIII. Ein caſus von dem amt eines beicht-vaters/ und wo etwas bey demſelben angebracht wird. Species facti. ES wird eine gewiſſe perſon in cauſa aliqua politica bey einem des mini- ſterii heimlich einer injuſtiz beſchuldiget/ obwol dieſelbe perſon bey je- derman das zeugnuͤs eines gerechten und tuͤchtigen namens jederzeit ge- habt/ der geiſtliche glaubt ſo bald dem obtrectatori, ſagt es ſeinem collegæ, und dieſer wieder einem andern collegen, daß er gegen den inculpatum ſol- ches gedencken ſolte. Dieſer fragt ſeinen collegen, ob er auch ſolche wort geſtehen wolte/ denn er muͤſte ſich hierinnen wohl in acht nehmen/ neqve enim cuilibet delatori credendum eſſe: jener aber ſagt nein darzu; hierauff antwortete der andere/ ſo confesſionarius, ſo trage er auch bedencken/ dem inculpato ſolches vor-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/1042>, abgerufen am 25.11.2024.