Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.SECTIO XXIV. einiges geistliche gute/ so noch von der natur in dem menschen/ der doch todtin sünden ist/ übrig wäre/ diesem zuschreibe/ noch auff der andern seite etwas setze/ daß GOTT den HERRN zur ursach der verdammnüß des menschen mache. §. 2. Ob wol die menschliche natur in dem geistlichen das wenigste gute §. 3. Jndessen kan doch das mehrere oder wenigere böse in dem natürli- §. 4. Wir werden gar exempel finden/ daß diejenige/ welche vorhin das §. 5. Es wird daher die gantze schwehrigkeit am besten der glaubens-re- wider- Y 2
SECTIO XXIV. einiges geiſtliche gute/ ſo noch von der natur in dem menſchen/ der doch todtin ſuͤnden iſt/ uͤbrig waͤre/ dieſem zuſchreibe/ noch auff der andern ſeite etwas ſetze/ daß GOTT den HERRN zur urſach der verdammnuͤß des menſchen mache. §. 2. Ob wol die menſchliche natur in dem geiſtlichen das wenigſte gute §. 3. Jndeſſen kan doch das mehrere oder wenigere boͤſe in dem natuͤrli- §. 4. Wir werden gar exempel finden/ daß diejenige/ welche vorhin das §. 5. Es wird daher die gantze ſchwehrigkeit am beſten der glaubens-re- wider- Y 2
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SECTIO XXIV.
einiges geiſtliche gute/ ſo noch von der natur in dem menſchen/ der doch todt
in ſuͤnden iſt/ uͤbrig waͤre/ dieſem zuſchreibe/ noch auff der andern ſeite etwas
ſetze/ daß GOTT den HERRN zur urſach der verdammnuͤß des menſchen
mache.
§. 2. Ob wol die menſchliche natur in dem geiſtlichen das wenigſte gute
nicht hat/ daher auch ſich von ſelbſten der widerſtrebung nicht enthalten/ noch
zu einigem guten anſchicken kan/ ſo hat ſie doch auſſer dem geiſtlichen/ was zu
dem moral leben gehoͤret/ annoch einige freyheit des willens. Daher auch die
Heyden/ ob wol bey allen und jeden der ſaame aller laſter von natur geſtecket/
durch den gebrauch ihrer vernunfft und aufferziehung zu einigen euſſerlichen
tugenden gelangen/ hingegen ſich deꝛ laſter enthalten konten/ daꝛzu die eigent-
liche gnade des H. Geiſtes/ ſo zu dem dritten articul zu rechnen iſt/ nicht ge-
hoͤrte. Alſo war der H. Geiſt weder bey Catone noch Catilina, ob wol die-
ſer ein verruchter boͤſer mann/ jener aber tugendhafft geweſen; in deme Ca-
tilina ſeine natuͤrliche kraͤffte der vernunfft nicht zum guten angewandt/ ſon-
dern den laſtern muthwillig nachgehaͤnget/ jener aber dieſen widerſtanden/
und das moral-gute geliebet. Da alſo offenbar/ daß bey einem mehr/ bey
dem andern weniger/ boͤſes geweſen.
§. 3. Jndeſſen kan doch das mehrere oder wenigere boͤſe in dem natuͤrli-
chen die eigentliche urſache nicht ſeyn/ warum GOtt einem menſchen mehr o-
der weni er gnade in dem geiſtlichen erzeige/ dann ſonſt waͤre unſre ſeligkeit
nicht bloß goͤttliche gnade/ ſondern/ wir haͤtten uns erſt ohne die gnade aus
uns ſelbs zur gnade bereitet/ und nehme die ſeligkeit von uns den anfang wi-
der Rom. 11/ 35. 1. Cor. 4/ 7. wo dieſem irrthum klahr widerſprochen wird.
§. 4. Wir werden gar exempel finden/ daß diejenige/ welche vorhin das
natuͤrliche liecht weniger recht gebraucht/ und ein laſterhaffter leben vor an-
dern gefuͤhrt haben/ ſich durch die geiſtliche krafft der gnaden eher haben uͤber-
winden laſſen; andre hingegen/ welche ein ehrbarer leben nach der vernunfft
gefuͤhrt/ der gnade mehr widerſtrebet haben/ und weniger bekehret worden
ſind: (Matth. 21/ 31. zoͤllner und huren/ oͤffentliche laſterhaffte leute/ kont-
men ehe in das himmelreich/ als ehrbare phariſeer/) alſo daß keine vorberei-
tung aus dem wenigern boͤſen mit fug geſchloſſen werden kan: ob wol dem
nicht zuwider ſeyn wolte/ wo man ſagte/ daß einige wegen ihres gottloſen le-
bens auch wider der vernunfft liecht/ moͤgen bereits in eine verſtockung gera-
then/ und zudem gnaden-liecht untuͤchtig worden ſeyn. Rom. 1/ 21. 24. u. f.
§. 5. Es wird daher die gantze ſchwehrigkeit am beſten der glaubens-re-
gel gemaͤß geſchehen/ wann wir zwahr/ welches allerdings nothwendig iſt/
die urſach/ warum dieſer durch das goͤttliche wort bekehret/ der andre nicht
bekehrt wird/ darinnen ſuchen/ daß der eine nicht boßhafftig und beharrlich
wider-
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