Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.Das erste Capitel. GOttes/ die eine frucht des uns seligmachenden glaubens ist/ gerecht undselig. 2. Die krafft zu halten ist eine gnade GOttes/ sein geschöpff/ seine vorbereitung/ seine würckung Ephes. 2/ 10. eine frucht des verdiensts Christi. 3. Sie gereichet nicht zu unserm sondern GOttes preiß/ so wohl nach intention der wirckenden/ welche bloß auff dieselbe allein sehen/ als auch an sich selbst. Denn es ist GOttes ehre/ daß er die schwache verderbte men- schen so kräfftig ausrüstet/ und grosses durch sie wircket zu seinem preiß/ Philipp. 1/ 11. uns gebühret nichts von der ehr/ als die wir in allem sol- chem nichts als eigentlich unser eigen anzusehen haben/ dann nur allein die- ses/ daß jegliches solches werck nicht noch völliger und so vollkommen ist/ als es hätte seyn können. 4. Die göttliche gnade hat noch allzeit an solchem halten etwas zu vergeben/ und ist wiederum dieses der preiß göttlicher gna- de/ daß sie den jenigen gehorsam annimmt/ und vor ein halten des gebots um Christi willen achtet/ mit vergebung der sündlichen schwachheiten/ wel- ches nach der strengsten regul des gesetzes kein halten gewesen wäre/ sondern vor dem gericht verworffen werden sollen. 5. Es entstehet daher stätiger preiß/ ein stäter antrieb zu hertzlicher liebe/ eine innigliche freude über solcher göttlicher gnade in der glaubigen hertzen/ wo sie erkennen wie hoch sie GOtt begnadet/ und gewürdiget habe. Da hingegen alles gegentheil folget/ wo man an die blosse ohnmöglichkeit gedencket. 1678. SECTIO XXXI. Lehr von haltung göttlicher gebote. JCh bedaure im übrigen den zustand unsrer Evangelischen kirchen/ daß tes
Das erſte Capitel. GOttes/ die eine frucht des uns ſeligmachenden glaubens iſt/ gerecht undſelig. 2. Die krafft zu halten iſt eine gnade GOttes/ ſein geſchoͤpff/ ſeine vorbereitung/ ſeine wuͤrckung Epheſ. 2/ 10. eine frucht des verdienſts Chriſti. 3. Sie gereichet nicht zu unſerm ſondern GOttes preiß/ ſo wohl nach intention der wirckenden/ welche bloß auff dieſelbe allein ſehen/ als auch an ſich ſelbſt. Denn es iſt GOttes ehre/ daß er die ſchwache verderbte men- ſchen ſo kraͤfftig ausruͤſtet/ und groſſes durch ſie wircket zu ſeinem preiß/ Philipp. 1/ 11. uns gebuͤhret nichts von der ehr/ als die wir in allem ſol- chem nichts als eigentlich unſer eigen anzuſehen haben/ dann nur allein die- ſes/ daß jegliches ſolches werck nicht noch voͤlliger und ſo vollkommen iſt/ als es haͤtte ſeyn koͤnnen. 4. Die goͤttliche gnade hat noch allzeit an ſolchem halten etwas zu vergeben/ und iſt wiederum dieſes der preiß goͤttlicher gna- de/ daß ſie den jenigen gehorſam annimmt/ und vor ein halten des gebots um Chriſti willen achtet/ mit vergebung der ſuͤndlichen ſchwachheiten/ wel- ches nach der ſtrengſten regul des geſetzes kein halten geweſen waͤre/ ſondern vor dem gericht verworffen werden ſollen. 5. Es entſtehet daher ſtaͤtiger preiß/ ein ſtaͤter antrieb zu hertzlicher liebe/ eine innigliche freude uͤber ſolcher goͤttlicher gnade in der glaubigen hertzen/ wo ſie erkennen wie hoch ſie GOtt begnadet/ und gewuͤrdiget habe. Da hingegen alles gegentheil folget/ wo man an die bloſſe ohnmoͤglichkeit gedencket. 1678. SECTIO XXXI. Lehr von haltung goͤttlicher gebote. JCh bedaure im uͤbrigen den zuſtand unſrer Evangeliſchen kirchen/ daß tes
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Das erſte Capitel.
GOttes/ die eine frucht des uns ſeligmachenden glaubens iſt/ gerecht und
ſelig. 2. Die krafft zu halten iſt eine gnade GOttes/ ſein geſchoͤpff/ ſeine
vorbereitung/ ſeine wuͤrckung Epheſ. 2/ 10. eine frucht des verdienſts
Chriſti. 3. Sie gereichet nicht zu unſerm ſondern GOttes preiß/ ſo wohl
nach intention der wirckenden/ welche bloß auff dieſelbe allein ſehen/ als auch
an ſich ſelbſt. Denn es iſt GOttes ehre/ daß er die ſchwache verderbte men-
ſchen ſo kraͤfftig ausruͤſtet/ und groſſes durch ſie wircket zu ſeinem preiß/
Philipp. 1/ 11. uns gebuͤhret nichts von der ehr/ als die wir in allem ſol-
chem nichts als eigentlich unſer eigen anzuſehen haben/ dann nur allein die-
ſes/ daß jegliches ſolches werck nicht noch voͤlliger und ſo vollkommen iſt/
als es haͤtte ſeyn koͤnnen. 4. Die goͤttliche gnade hat noch allzeit an ſolchem
halten etwas zu vergeben/ und iſt wiederum dieſes der preiß goͤttlicher gna-
de/ daß ſie den jenigen gehorſam annimmt/ und vor ein halten des gebots
um Chriſti willen achtet/ mit vergebung der ſuͤndlichen ſchwachheiten/ wel-
ches nach der ſtrengſten regul des geſetzes kein halten geweſen waͤre/ ſondern
vor dem gericht verworffen werden ſollen. 5. Es entſtehet daher ſtaͤtiger
preiß/ ein ſtaͤter antrieb zu hertzlicher liebe/ eine innigliche freude uͤber ſolcher
goͤttlicher gnade in der glaubigen hertzen/ wo ſie erkennen wie hoch ſie GOtt
begnadet/ und gewuͤrdiget habe. Da hingegen alles gegentheil folget/ wo
man an die bloſſe ohnmoͤglichkeit gedencket. 1678.
SECTIO XXXI.
Lehr von haltung goͤttlicher gebote.
JCh bedaure im uͤbrigen den zuſtand unſrer Evangeliſchen kirchen/ daß
es nunmehr dahin ſolle kommen ſeyn/ daß die lehr von einiger haltung
goͤttlicher gebote (nicht nach der ſtrenge des geſetzes oder vollkommen/
ſondern nach unſrer ſchwachheit/ wie gleichwol der liebſte Vater nach der gna-
de des Evangelii mit ſeiner kinder unvollkommenem aber redlichem gehor-
ſam gedult tragen will) von denjenigen/ die ſie ſelbſt treiben ſolten/ wider-
ſprochen/ ja an denen/ ſo ſie treiben/ gar verketzert werde/ da ſie gleichwol
gleichwie in Heil. Schrifft/ alſo auch ſo gar in unſern Symboliſchen buͤchern/
austruͤcklich gegruͤndet. Wie nun daher unſrer kirchen nicht das beſte leider
ominiren kan/ alſo ſetzen ſich billig dieſer untertruckung goͤttl. wahrheit alle
diejenige entgegen/ welche es treulich mit der ſeelen heil halten/ ſolte uns
auch daruͤber von andern falſchen bruͤdern einiges zu leiden vorſtehen. Wie
ich denn den articul von moͤglichkeit und nothwendigkeit eines ſolchen Chri-
ſtenthums/ da man nicht mehr nach dem fleiſch/ ſondern nach dem geiſt/ wan-
delt/ und alſo nicht mehr der ſuͤnden dienet/ ſondern nach den geboten GOt-
tes
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