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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das erste Capitel.
bendmahl zur vergebung der sünden oder derselben confir mation
eingesetzt seye? Halte ich das unter den beyden membris keine opposition
seye. Sehen wir an die erste vergebung der sünden/ die uns ordentlich wie-
derfähret/ so geschihet sie in der heil. tauff/ und zwahr mit einer solchen krafft/
daß unsere Theologi bekennen/ es werde daselbst die sünde des gantzen le-
bens/ und also auch die künfftige vergeben. Daher ist alle übrige vergebung
gleichsam eine wiederhohlung oder bekräfftigung der vergebung in der tauffe
erstmahls geschehen. Wo aber einer bey erwachsenen jahren getaufft wird/
weil da erfodert wird/ daß er vorhin muß glaubig seyn/ und hingegen der
glaube in dem ersten augenblick/ da er Christum ergreifft/ seine gerechtigkeit
erlanget/ und also die vergebung hat/ so kommet ein solcher täufling zu seiner
tauffe bereits mit vergebung seiner sünden/ die ihm aber daselbs versiegelt
und bekräfftiget wird. Kommen wir nun auff das heil. Abendmahl/ so wird
dasselbe ja allezeit nach der tauffe empfangen/ und also von denenjenigen/ die
bereits der vergebung der sünden in derselben theilhafftig worden sind/ da-
her sie unmüglich anders eine neue vergebung erlangen können/ als daß sie/
weil der bund der gnaden von GOttes seiten nie auffhöret/ wieder in den ge-
nuß der einmahligen und ewigen vergebung eintreten/ die sie in der tauff be-
kommen: daher ists allezeit vielmehr eine neue confirmation der ersten ver-
gebung/ als eine solche neue vergebung/ da die gantze vorige auch von GOt-
tes seiten auffgehoben wäre: und kan in demselben verstande in dem gantzen
leben keine solche neue vergebung geschehen/ so fern sie einer Confirmation
entgegen gesetzet wird. Was auch anlangt das heil. Abendmahl selbst/ weil
wir nicht in abrede sind/ daß dasselbe zu seinem würdigen gebrauch einen be-
reits bußfertigen und glaubigen menschen/ als der schon in dem leben der gna-
de stehet/ haben wolle/ so muß also der würdige Communicant zu dem heil.
Abendmahl bereits in seinem glauben die gerechtigkeit JEsu Christi/ und al-
so die vergebung der sünden/ bringen/ welche ihm nachmals in demselben ver-
sieglet/ und demnach confirmiret werden könne. Jndessen sagen wir auch
mit wahrheit/ daß wir auch in dem heil. Abendmahl die vergebung der sün-
den empfangen/
darzu ich aus Matth. 26/ 28. das gar so in dem grund-
text stehet/ in dem Teutschen aber ausgelassen ist/ anzuführen pflege/ daß wir
nemlich müsten die vergebung der sünden auch erlangen bey dem trincken des
bluts Christi/ weil solches die ursach des trinckens seyn solle. Aber es ver-
stehet sich nicht von dem erstmaligen empfahen/ sondern des empfangenen be-
kräfftigung und versiglung. Jch halte aber die sache seye zimlich deutlich.
Jch komme auff die dritte frage/ ob die rechtfertigung bey der nießung
des heil. Abendmahls vorgehe?
Es wird aber vielleicht die antwort aus

der

Das erſte Capitel.
bendmahl zur vergebung der ſuͤnden oder derſelben confir mation
eingeſetzt ſeye? Halte ich das unter den beyden membris keine oppoſition
ſeye. Sehen wir an die erſte vergebung der ſuͤnden/ die uns ordentlich wie-
derfaͤhret/ ſo geſchihet ſie in der heil. tauff/ und zwahr mit einer ſolchen krafft/
daß unſere Theologi bekennen/ es werde daſelbſt die ſuͤnde des gantzen le-
bens/ und alſo auch die kuͤnfftige vergeben. Daher iſt alle uͤbrige vergebung
gleichſam eine wiederhohlung oder bekraͤfftigung der vergebung in der tauffe
erſtmahls geſchehen. Wo aber einer bey erwachſenen jahren getaufft wird/
weil da erfodert wird/ daß er vorhin muß glaubig ſeyn/ und hingegen der
glaube in dem erſten augenblick/ da er Chriſtum ergreifft/ ſeine gerechtigkeit
erlanget/ und alſo die vergebung hat/ ſo kommet ein ſolcher taͤufling zu ſeiner
tauffe bereits mit vergebung ſeiner ſuͤnden/ die ihm aber daſelbs verſiegelt
und bekraͤfftiget wird. Kommen wir nun auff das heil. Abendmahl/ ſo wird
daſſelbe ja allezeit nach der tauffe empfangen/ und alſo von denenjenigen/ die
bereits der vergebung der ſuͤnden in derſelben theilhafftig worden ſind/ da-
her ſie unmuͤglich anders eine neue vergebung erlangen koͤnnen/ als daß ſie/
weil der bund der gnaden von GOttes ſeiten nie auffhoͤret/ wieder in den ge-
nuß der einmahligen und ewigen vergebung eintreten/ die ſie in der tauff be-
kommen: daher iſts allezeit vielmehr eine neue confirmation der erſten ver-
gebung/ als eine ſolche neue vergebung/ da die gantze vorige auch von GOt-
tes ſeiten auffgehoben waͤre: und kan in demſelben verſtande in dem gantzen
leben keine ſolche neue vergebung geſchehen/ ſo fern ſie einer Confirmation
entgegen geſetzet wird. Was auch anlangt das heil. Abendmahl ſelbſt/ weil
wir nicht in abrede ſind/ daß daſſelbe zu ſeinem wuͤrdigen gebrauch einen be-
reits bußfertigen und glaubigen menſchen/ als der ſchon in dem leben der gna-
de ſtehet/ haben wolle/ ſo muß alſo der wuͤrdige Communicant zu dem heil.
Abendmahl bereits in ſeinem glauben die gerechtigkeit JEſu Chriſti/ und al-
ſo die vergebung der ſuͤnden/ bringen/ welche ihm nachmals in demſelben ver-
ſieglet/ und demnach confirmiret werden koͤnne. Jndeſſen ſagen wir auch
mit wahrheit/ daß wir auch in dem heil. Abendmahl die vergebung der ſuͤn-
den empfangen/
darzu ich aus Matth. 26/ 28. das γὰρ ſo in dem grund-
text ſtehet/ in dem Teutſchen aber ausgelaſſen iſt/ anzufuͤhren pflege/ daß wir
nemlich muͤſten die vergebung der ſuͤnden auch erlangen bey dem trincken des
bluts Chriſti/ weil ſolches die urſach des trinckens ſeyn ſolle. Aber es ver-
ſtehet ſich nicht von dem erſtmaligen empfahen/ ſondern des empfangenen be-
kraͤfftigung und verſiglung. Jch halte aber die ſache ſeye zimlich deutlich.
Jch komme auff die dritte frage/ ob die rechtfertigung bey der nießung
des heil. Abendmahls vorgehe?
Es wird aber vielleicht die antwort aus

der
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[208/0224] Das erſte Capitel. bendmahl zur vergebung der ſuͤnden oder derſelben confir mation eingeſetzt ſeye? Halte ich das unter den beyden membris keine oppoſition ſeye. Sehen wir an die erſte vergebung der ſuͤnden/ die uns ordentlich wie- derfaͤhret/ ſo geſchihet ſie in der heil. tauff/ und zwahr mit einer ſolchen krafft/ daß unſere Theologi bekennen/ es werde daſelbſt die ſuͤnde des gantzen le- bens/ und alſo auch die kuͤnfftige vergeben. Daher iſt alle uͤbrige vergebung gleichſam eine wiederhohlung oder bekraͤfftigung der vergebung in der tauffe erſtmahls geſchehen. Wo aber einer bey erwachſenen jahren getaufft wird/ weil da erfodert wird/ daß er vorhin muß glaubig ſeyn/ und hingegen der glaube in dem erſten augenblick/ da er Chriſtum ergreifft/ ſeine gerechtigkeit erlanget/ und alſo die vergebung hat/ ſo kommet ein ſolcher taͤufling zu ſeiner tauffe bereits mit vergebung ſeiner ſuͤnden/ die ihm aber daſelbs verſiegelt und bekraͤfftiget wird. Kommen wir nun auff das heil. Abendmahl/ ſo wird daſſelbe ja allezeit nach der tauffe empfangen/ und alſo von denenjenigen/ die bereits der vergebung der ſuͤnden in derſelben theilhafftig worden ſind/ da- her ſie unmuͤglich anders eine neue vergebung erlangen koͤnnen/ als daß ſie/ weil der bund der gnaden von GOttes ſeiten nie auffhoͤret/ wieder in den ge- nuß der einmahligen und ewigen vergebung eintreten/ die ſie in der tauff be- kommen: daher iſts allezeit vielmehr eine neue confirmation der erſten ver- gebung/ als eine ſolche neue vergebung/ da die gantze vorige auch von GOt- tes ſeiten auffgehoben waͤre: und kan in demſelben verſtande in dem gantzen leben keine ſolche neue vergebung geſchehen/ ſo fern ſie einer Confirmation entgegen geſetzet wird. Was auch anlangt das heil. Abendmahl ſelbſt/ weil wir nicht in abrede ſind/ daß daſſelbe zu ſeinem wuͤrdigen gebrauch einen be- reits bußfertigen und glaubigen menſchen/ als der ſchon in dem leben der gna- de ſtehet/ haben wolle/ ſo muß alſo der wuͤrdige Communicant zu dem heil. Abendmahl bereits in ſeinem glauben die gerechtigkeit JEſu Chriſti/ und al- ſo die vergebung der ſuͤnden/ bringen/ welche ihm nachmals in demſelben ver- ſieglet/ und demnach confirmiret werden koͤnne. Jndeſſen ſagen wir auch mit wahrheit/ daß wir auch in dem heil. Abendmahl die vergebung der ſuͤn- den empfangen/ darzu ich aus Matth. 26/ 28. das γὰρ ſo in dem grund- text ſtehet/ in dem Teutſchen aber ausgelaſſen iſt/ anzufuͤhren pflege/ daß wir nemlich muͤſten die vergebung der ſuͤnden auch erlangen bey dem trincken des bluts Chriſti/ weil ſolches die urſach des trinckens ſeyn ſolle. Aber es ver- ſtehet ſich nicht von dem erſtmaligen empfahen/ ſondern des empfangenen be- kraͤfftigung und verſiglung. Jch halte aber die ſache ſeye zimlich deutlich. Jch komme auff die dritte frage/ ob die rechtfertigung bey der nießung des heil. Abendmahls vorgehe? Es wird aber vielleicht die antwort aus der

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/224>, abgerufen am 28.11.2024.