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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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SECTIO XXXVIII.
der vorigen sich schliessen lassen/ indem die rechtfertigung bestehet in zurech-
nung und annehmung der vergebung der sünden. Also kan ich sagen/ GOtt
rechtfertige uns in dem heil. Abendmahl/ indem er in demselben unserm glau-
ben die vergebung der sünden anbietet/ der sie ergreifft/ wie sie ihm darinnen
dargereicht und versieglet wird. Und weil die rechtfertigung heisset nicht
allein diejenige rechtfertigung/ so in der wiedergebuhrt geschihet/ dadurch der
mensch aus dem stand des wircklichen zorns GOttes in den stand der gnaden
erstmals versetzet wird/ sondern auch dero fortsetzung/ wie wir täglich im
stand der erneurung auch bey denen kindlichen gebrechen/ die uns doch nicht
aus der gnade setzen/ der vergebung nöthig haben/ und sie erlangen: so aber
immer nichts anders als eine fortsetzung und bekräfftigung der einmaligen
und beständig gültigen vergebung ist. So geschihet bey dem heil. Abend-
mahl nicht die erste art/ denn es kommet der Communicant als ein bereits
versöhnter/ der noch darzu in der absolution die vergebung erlanget/ und mit
glauben ergriffen hat/ aber es geschihet doch immerfort die andere art/ daß
dem bereits gerechtfertigten immer auffs neue/ wie in allen glaubens-actibus
die gerechtigkeit wiederum bekräfftiget und versieglet wird. Jch halte aber
die sache seye aus diesem wenigen gantz klahr zu sehen/ und werde nichts wol
dagegen zu excipiren seyn. 1692.

SECTIO XXXIX.
Was wir vor einen leib Christi im heil. Abendmahl
empfangen. Von dem wasser in der tauff.

DEn scrupel wegen der worte meines schwagers/ Herrn Horbii/ meine
leicht zu heben. Jndem er einen geistlichen leib nennet/ nicht in op-
position
gegen den natürlichen leib/ sondern den wahren wesentlichen
leib. Wie aus der frage erhellet/ auff welche die antwort sich schicken muß.
Wenn wir betrachten was die Reformirten in dem heil. Abendmahl zu em-
pfangen glauben/ so kömmet es endlich gemeiniglich auff einen solchen geist-
lichen leib. Denn ob sie wol zuweilen auch sich mit worten verlauten lassen/
daß sie des wahren wesentlichen leibes Christi theilhafftig werden/ er-
klähren sie doch selbiges nachmals also/ daß es eine bloß geistliche gemein-
schafft/ und dabey das wesen des leibes Christi allein in dem himmel bleibe:
also geben sie nicht zu/ daß man hie auff erden/ mit dem brodt einen andern
als nur geistlichen leib Christi/ das ist/ die krafft des vor uns gegebenen lei-
bes Christi und opffers/ empfange. Wie die in dem A. T. also einen geist-
lichen leib Christi bey dem Osterlamm/ das ist/ die krafft des künfftigen opf-
fers/ und des leibes Christi genossen/ deme dieses hie entgegen gesetzt mag

seyn.
D d

SECTIO XXXVIII.
der vorigen ſich ſchlieſſen laſſen/ indem die rechtfertigung beſtehet in zurech-
nung und annehmung der vergebung der ſuͤnden. Alſo kan ich ſagen/ GOtt
rechtfertige uns in dem heil. Abendmahl/ indem er in demſelben unſerm glau-
ben die vergebung der ſuͤnden anbietet/ der ſie ergreifft/ wie ſie ihm darinnen
dargereicht und verſieglet wird. Und weil die rechtfertigung heiſſet nicht
allein diejenige rechtfertigung/ ſo in der wiedergebuhrt geſchihet/ dadurch der
menſch aus dem ſtand des wircklichen zorns GOttes in den ſtand der gnaden
erſtmals verſetzet wird/ ſondern auch dero fortſetzung/ wie wir taͤglich im
ſtand der erneurung auch bey denen kindlichen gebrechen/ die uns doch nicht
aus der gnade ſetzen/ der vergebung noͤthig haben/ und ſie erlangen: ſo aber
immer nichts anders als eine fortſetzung und bekraͤfftigung der einmaligen
und beſtaͤndig guͤltigen vergebung iſt. So geſchihet bey dem heil. Abend-
mahl nicht die erſte art/ denn es kommet der Communicant als ein bereits
verſoͤhnter/ der noch darzu in der abſolution die vergebung erlanget/ und mit
glauben ergriffen hat/ aber es geſchihet doch immerfort die andere art/ daß
dem bereits gerechtfertigten immer auffs neue/ wie in allen glaubens-actibus
die gerechtigkeit wiederum bekraͤfftiget und verſieglet wird. Jch halte aber
die ſache ſeye aus dieſem wenigen gantz klahr zu ſehen/ und werde nichts wol
dagegen zu excipiren ſeyn. 1692.

SECTIO XXXIX.
Was wir vor einen leib Chriſti im heil. Abendmahl
empfangen. Von dem waſſer in der tauff.

DEn ſcrupel wegen der worte meines ſchwagers/ Herrn Horbii/ meine
leicht zu heben. Jndem er einen geiſtlichen leib nennet/ nicht in op-
poſition
gegen den natuͤrlichen leib/ ſondern den wahren weſentlichen
leib. Wie aus der frage erhellet/ auff welche die antwort ſich ſchicken muß.
Wenn wir betrachten was die Reformirten in dem heil. Abendmahl zu em-
pfangen glauben/ ſo koͤmmet es endlich gemeiniglich auff einen ſolchen geiſt-
lichen leib. Denn ob ſie wol zuweilen auch ſich mit worten verlauten laſſen/
daß ſie des wahren weſentlichen leibes Chriſti theilhafftig werden/ er-
klaͤhren ſie doch ſelbiges nachmals alſo/ daß es eine bloß geiſtliche gemein-
ſchafft/ und dabey das weſen des leibes Chriſti allein in dem himmel bleibe:
alſo geben ſie nicht zu/ daß man hie auff erden/ mit dem brodt einen andern
als nur geiſtlichen leib Chriſti/ das iſt/ die krafft des vor uns gegebenen lei-
bes Chriſti und opffers/ empfange. Wie die in dem A. T. alſo einen geiſt-
lichen leib Chriſti bey dem Oſterlamm/ das iſt/ die krafft des kuͤnfftigen opf-
fers/ und des leibes Chriſti genoſſen/ deme dieſes hie entgegen geſetzt mag

ſeyn.
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[209/0225] SECTIO XXXVIII. der vorigen ſich ſchlieſſen laſſen/ indem die rechtfertigung beſtehet in zurech- nung und annehmung der vergebung der ſuͤnden. Alſo kan ich ſagen/ GOtt rechtfertige uns in dem heil. Abendmahl/ indem er in demſelben unſerm glau- ben die vergebung der ſuͤnden anbietet/ der ſie ergreifft/ wie ſie ihm darinnen dargereicht und verſieglet wird. Und weil die rechtfertigung heiſſet nicht allein diejenige rechtfertigung/ ſo in der wiedergebuhrt geſchihet/ dadurch der menſch aus dem ſtand des wircklichen zorns GOttes in den ſtand der gnaden erſtmals verſetzet wird/ ſondern auch dero fortſetzung/ wie wir taͤglich im ſtand der erneurung auch bey denen kindlichen gebrechen/ die uns doch nicht aus der gnade ſetzen/ der vergebung noͤthig haben/ und ſie erlangen: ſo aber immer nichts anders als eine fortſetzung und bekraͤfftigung der einmaligen und beſtaͤndig guͤltigen vergebung iſt. So geſchihet bey dem heil. Abend- mahl nicht die erſte art/ denn es kommet der Communicant als ein bereits verſoͤhnter/ der noch darzu in der abſolution die vergebung erlanget/ und mit glauben ergriffen hat/ aber es geſchihet doch immerfort die andere art/ daß dem bereits gerechtfertigten immer auffs neue/ wie in allen glaubens-actibus die gerechtigkeit wiederum bekraͤfftiget und verſieglet wird. Jch halte aber die ſache ſeye aus dieſem wenigen gantz klahr zu ſehen/ und werde nichts wol dagegen zu excipiren ſeyn. 1692. SECTIO XXXIX. Was wir vor einen leib Chriſti im heil. Abendmahl empfangen. Von dem waſſer in der tauff. DEn ſcrupel wegen der worte meines ſchwagers/ Herrn Horbii/ meine leicht zu heben. Jndem er einen geiſtlichen leib nennet/ nicht in op- poſition gegen den natuͤrlichen leib/ ſondern den wahren weſentlichen leib. Wie aus der frage erhellet/ auff welche die antwort ſich ſchicken muß. Wenn wir betrachten was die Reformirten in dem heil. Abendmahl zu em- pfangen glauben/ ſo koͤmmet es endlich gemeiniglich auff einen ſolchen geiſt- lichen leib. Denn ob ſie wol zuweilen auch ſich mit worten verlauten laſſen/ daß ſie des wahren weſentlichen leibes Chriſti theilhafftig werden/ er- klaͤhren ſie doch ſelbiges nachmals alſo/ daß es eine bloß geiſtliche gemein- ſchafft/ und dabey das weſen des leibes Chriſti allein in dem himmel bleibe: alſo geben ſie nicht zu/ daß man hie auff erden/ mit dem brodt einen andern als nur geiſtlichen leib Chriſti/ das iſt/ die krafft des vor uns gegebenen lei- bes Chriſti und opffers/ empfange. Wie die in dem A. T. alſo einen geiſt- lichen leib Chriſti bey dem Oſterlamm/ das iſt/ die krafft des kuͤnfftigen opf- fers/ und des leibes Chriſti genoſſen/ deme dieſes hie entgegen geſetzt mag ſeyn. D d

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/225>, abgerufen am 28.11.2024.