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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das erste Capitel.
rung und auffmunterung gesegnet/ ohne welche ich zwahr wenig andere ge-
lesen. Von Baxtern habe nur gelesen sein buch von der verleugnung sein
selbs; welches ein vortreflicher unser Theologus ins Teutsche übersetzet.
So weiß ich auch/ daß andre rechtschaffene Christen solchem Scriptori vieles
dancken/ und die gabe/ die der HErr solchem mann gegeben habe/ die gewis-
sen zu rühren/ hochrühmen. Daher ich mir ein gewissen machte/ dergleichen
bücher/ welche einigen zu stattlicher erbauung gedienet haben/ zu verbiethen/
und sie also eines mittels zu berauben/ welches vielleicht auch ihnen möchte
nutzen schaffen. Der sorge aber/ dadurch auch zu den irrigen meinungen der
Reformirten geleitet zu werden/ mag wohl auff andre weise gerathen wer-
den/ nemlich/ daß unsre leute/ welche sie lesen wollen/ fein selbs vorhin
auch recht gegründet/ unsre wahrheit erkennen/ so werden sie alsdann
das gute in solchen schrifften zu ihrem nutzen gebrauchen/ hingegen was
nicht richtig ist/ mit gedult und ohne anstoß vorbey lassen; zu dem gemei-
niglich in solchen schrifften wenig von Controversien stehet. Eines finde
ich noch dabey/ wer die Englische bücher lieset/ daß er billig den articul
von der rechtfertigung/ und den unterscheid unter dem gesetz und Evange-
lio gründlich vorher verstehen solle/ als welcher nicht so deutlich darinnen
vorgestellet ist/ und aus denselben nicht wohl begriffen werden kan. Bey
unsern leuten/ leugne nicht/ daß der überfluß dergleichen bücher von der ü-
bung des thätigen Christenthums so viele nicht vorhanden/ oder dieselbe
so kräfftig seyen/ daß wir ursach hätten/ der frembden uns bloß zu entschla-
gen. 1687.

SECTIO LXXIX.
An eine Christliche vornehme person in der anfech-
tung/ in allem innerlichen und eusserlichen untüchtig zu
werden. 2. Cor.
4/ 16.

DEn zustand deroselben aus dem letzten/ habe ich also angesehen/ daß
er dem eusserlichen ansehen nach sehr elend seye/ dann was kan elender
gedacht werden/ als nach innerlichem und eusserlichem seinem eignen
urtheil nach zu allen verrichtungen untüchtig oder ungeschickt zu werden?
(wie die klage lauten wolte) da man sagen solte/ daß man in solchem stande
vergebens in der welt wäre/ und dasjenige nicht mehr leisten könte/ wozu
uns doch leben und alles gegeben worden ist. Jndessen versichere gleichwohl/
wo man solchen beklagten zustand mit andern angen/ nemlich denjenigen/
die nicht denschein sondern die wahrheit tieff einzusehen vermögen/ ansihet/
daß die sache eine gantz andere gestalt gewinne. Wie ich dann in solchem

zu-

Das erſte Capitel.
rung und auffmunterung geſegnet/ ohne welche ich zwahr wenig andere ge-
leſen. Von Baxtern habe nur geleſen ſein buch von der verleugnung ſein
ſelbs; welches ein vortreflicher unſer Theologus ins Teutſche uͤberſetzet.
So weiß ich auch/ daß andre rechtſchaffene Chriſten ſolchem Scriptori vieles
dancken/ und die gabe/ die der HErr ſolchem mann gegeben habe/ die gewiſ-
ſen zu ruͤhren/ hochruͤhmen. Daher ich mir ein gewiſſen machte/ dergleichen
buͤcher/ welche einigen zu ſtattlicher erbauung gedienet haben/ zu verbiethen/
und ſie alſo eines mittels zu berauben/ welches vielleicht auch ihnen moͤchte
nutzen ſchaffen. Der ſorge aber/ dadurch auch zu den irrigen meinungen der
Reformirten geleitet zu werden/ mag wohl auff andre weiſe gerathen wer-
den/ nemlich/ daß unſre leute/ welche ſie leſen wollen/ fein ſelbs vorhin
auch recht gegruͤndet/ unſre wahrheit erkennen/ ſo werden ſie alsdann
das gute in ſolchen ſchrifften zu ihrem nutzen gebrauchen/ hingegen was
nicht richtig iſt/ mit gedult und ohne anſtoß vorbey laſſen; zu dem gemei-
niglich in ſolchen ſchrifften wenig von Controverſien ſtehet. Eines finde
ich noch dabey/ wer die Engliſche buͤcher lieſet/ daß er billig den articul
von der rechtfertigung/ und den unterſcheid unter dem geſetz und Evange-
lio gruͤndlich vorher verſtehen ſolle/ als welcher nicht ſo deutlich darinnen
vorgeſtellet iſt/ und aus denſelben nicht wohl begriffen werden kan. Bey
unſern leuten/ leugne nicht/ daß der uͤberfluß dergleichen buͤcher von der uͤ-
bung des thaͤtigen Chriſtenthums ſo viele nicht vorhanden/ oder dieſelbe
ſo kraͤfftig ſeyen/ daß wir urſach haͤtten/ der frembden uns bloß zu entſchla-
gen. 1687.

SECTIO LXXIX.
An eine Chriſtliche vornehme perſon in der anfech-
tung/ in allem innerlichen und euſſerlichen untuͤchtig zu
werden. 2. Cor.
4/ 16.

DEn zuſtand deroſelben aus dem letzten/ habe ich alſo angeſehen/ daß
er dem euſſerlichen anſehen nach ſehr elend ſeye/ dann was kan elender
gedacht werden/ als nach innerlichem und euſſerlichem ſeinem eignen
urtheil nach zu allen verrichtungen untuͤchtig oder ungeſchickt zu werden?
(wie die klage lauten wolte) da man ſagen ſolte/ daß man in ſolchem ſtande
vergebens in der welt waͤre/ und dasjenige nicht mehr leiſten koͤnte/ wozu
uns doch leben und alles gegeben worden iſt. Jndeſſen verſichere gleichwohl/
wo man ſolchen beklagten zuſtand mit andern angen/ nemlich denjenigen/
die nicht denſchein ſondern die wahrheit tieff einzuſehen vermoͤgen/ anſihet/
daß die ſache eine gantz andere geſtalt gewinne. Wie ich dann in ſolchem

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[338/0354] Das erſte Capitel. rung und auffmunterung geſegnet/ ohne welche ich zwahr wenig andere ge- leſen. Von Baxtern habe nur geleſen ſein buch von der verleugnung ſein ſelbs; welches ein vortreflicher unſer Theologus ins Teutſche uͤberſetzet. So weiß ich auch/ daß andre rechtſchaffene Chriſten ſolchem Scriptori vieles dancken/ und die gabe/ die der HErr ſolchem mann gegeben habe/ die gewiſ- ſen zu ruͤhren/ hochruͤhmen. Daher ich mir ein gewiſſen machte/ dergleichen buͤcher/ welche einigen zu ſtattlicher erbauung gedienet haben/ zu verbiethen/ und ſie alſo eines mittels zu berauben/ welches vielleicht auch ihnen moͤchte nutzen ſchaffen. Der ſorge aber/ dadurch auch zu den irrigen meinungen der Reformirten geleitet zu werden/ mag wohl auff andre weiſe gerathen wer- den/ nemlich/ daß unſre leute/ welche ſie leſen wollen/ fein ſelbs vorhin auch recht gegruͤndet/ unſre wahrheit erkennen/ ſo werden ſie alsdann das gute in ſolchen ſchrifften zu ihrem nutzen gebrauchen/ hingegen was nicht richtig iſt/ mit gedult und ohne anſtoß vorbey laſſen; zu dem gemei- niglich in ſolchen ſchrifften wenig von Controverſien ſtehet. Eines finde ich noch dabey/ wer die Engliſche buͤcher lieſet/ daß er billig den articul von der rechtfertigung/ und den unterſcheid unter dem geſetz und Evange- lio gruͤndlich vorher verſtehen ſolle/ als welcher nicht ſo deutlich darinnen vorgeſtellet iſt/ und aus denſelben nicht wohl begriffen werden kan. Bey unſern leuten/ leugne nicht/ daß der uͤberfluß dergleichen buͤcher von der uͤ- bung des thaͤtigen Chriſtenthums ſo viele nicht vorhanden/ oder dieſelbe ſo kraͤfftig ſeyen/ daß wir urſach haͤtten/ der frembden uns bloß zu entſchla- gen. 1687. SECTIO LXXIX. An eine Chriſtliche vornehme perſon in der anfech- tung/ in allem innerlichen und euſſerlichen untuͤchtig zu werden. 2. Cor. 4/ 16. DEn zuſtand deroſelben aus dem letzten/ habe ich alſo angeſehen/ daß er dem euſſerlichen anſehen nach ſehr elend ſeye/ dann was kan elender gedacht werden/ als nach innerlichem und euſſerlichem ſeinem eignen urtheil nach zu allen verrichtungen untuͤchtig oder ungeſchickt zu werden? (wie die klage lauten wolte) da man ſagen ſolte/ daß man in ſolchem ſtande vergebens in der welt waͤre/ und dasjenige nicht mehr leiſten koͤnte/ wozu uns doch leben und alles gegeben worden iſt. Jndeſſen verſichere gleichwohl/ wo man ſolchen beklagten zuſtand mit andern angen/ nemlich denjenigen/ die nicht denſchein ſondern die wahrheit tieff einzuſehen vermoͤgen/ anſihet/ daß die ſache eine gantz andere geſtalt gewinne. Wie ich dann in ſolchem zu-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/354>, abgerufen am 22.11.2024.