Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.Das andere Capitel. SECTIO XXIX. Daß in dem predigamt das evangelium das meiste ausrichten müsse. Unterscheid des wahren und todten glaubens. Zu unsrer zeit wenig auszurichten. JCh habe mich von hertzen ersreuet/ daß so wohl des lieben Andreae noch
Das andere Capitel. SECTIO XXIX. Daß in dem predigamt das evangelium das meiſte ausrichten muͤſſe. Unterſcheid des wahren und todten glaubens. Zu unſrer zeit wenig auszurichten. JCh habe mich von hertzen erſreuet/ daß ſo wohl des lieben Andreæ noch
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Das andere Capitel.
SECTIO XXIX.
Daß in dem predigamt das evangelium das meiſte
ausrichten muͤſſe. Unterſcheid des wahren und todten glaubens.
Zu unſrer zeit wenig auszurichten.
JCh habe mich von hertzen erſreuet/ daß ſo wohl des lieben Andreæ
Crameri arbeit ſamt meiner vorrede/ als auch mein buͤchlein von
der lautern milch des Evangelii/ einige vergnuͤgung gegeben haben:
es gibt mir auch ſolches ein neues zeugnuͤß/ daß auch in den ſchriff-
ten/ in welchen allerdings keine erudition geſucht oder oſtentirt wird/ nicht
weniger krafft die hertzen zuruͤhren ſeyn koͤnne/ als in denen/ da alle zeilen
voll kunſt und geſchickligkeit ſtecken: die ich zwahr ſonſten nicht gering achte/
aber bekenne/ daß ich meine/ ſie ſchicken ſich nirgend weniger als in predigten
und den jenigen ſchrifften/ welche zu der wahren erbauung angeſehen ſind/
welche gewißlich in den einfaͤltigen ſchrifften ſich kraͤfftiger weiſen wird.
Nechſt dem hat mich auch vergnuͤgt/ daß auffs neue/ wie vorhin aus deſſen
munde/ alſo ietzt aus dem ſchreiben erſehe/ daß derſelbe das rechte haupt-werck
unſers amts mit andern angen als faſt ſonſten insgemein die meiſte thun/
anſehe/ nehmlich/ wie es nicht ſeye das geſetz/ ſondern das Evangelium: und
wie durch jenes die hertzen der menſchen in wahrer buß allein bereitet werden
muͤſſen/ damit dieſes alsdenn ſeine krafft darinn habe/ und in einer ſeele/ die
nunmehr zu der erkaͤntnuͤs und haß ihrer fuͤnden gebracht worden/ der leben-
dige glaube gewircket/ ja auch das goͤttliche geſetz durch den ſinger des heil.
Geiſtes lebendig in das hertz geſchrieben werde. Wie ich denn meinen wer-
then bruder verſichern will/ er werde nicht nur ſolche lehr dem heil. wort GOt-
tes und unſern Symboliſchen buͤchern/ auch ſonderlich des theuren und recht
Evangeliſchen vaters Lutheri ſchrifften gemaͤß befinden/ ſondern er werde
auch/ je laͤnger er in ſeinem amt dieſer art ſich befleiſſen wird/ durch die erfah-
rung ſelbs gewahr werden/ wie geſegnet ſolcher methodus ſeye: und wie viel
eine andere krafft ſich zeige/ wo man den leuten durch den glauben und in dem-
ſelben goͤttliche liebes-thaten und ſchaͤtze der ſeeligkeit das hertz warm machet/
und alſo zu wege bringet/ daß der heil. Geiſt ſelbſt in demſelben den gehorſam
wircket/ als wo man ihn mit ſtetem poltern des geſetzes (dem ich im uͤbrigen
freylich auch ſeine ſtaͤte und wuͤrde laſſe) erzwingen will: wo zwahr endlich
aus angſt und furcht die erſchreckte menſchen etwas gutes thun oder boͤſes
unterlaſſen/ aber alſo/ daß keines davon GOtt vor ſeinem angeſicht gefaͤllig/
noch
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