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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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ARTIC. III. SECTIO XXIX.
noch dem gesetz wahrhafftig gemaß ist/ weil es niemahl aus dem hertzen oder
geist gehet/ sondern vielmehr das hertz dawider und mit GOtt/ der uns al-
so nöthige und zwinge/ übel zufrieden ist. Massen es nicht anders seyn kan/
wann wir bedencken/ daß der heil. Geist nicht durch das gesetz/ sondern die
predigt von dem glauben Gal.
3/ 2. gegeben werde. Wann aber dersel-
be vor einige gute freunde/ die darnach begierde hätten/ verlangen träget/ daß
ich einige anleitung geben möchte/ die zu solchem methodo nützlich wäre/ so
wünschte ich hertzlich/ daß ich solches so wol zu werck zu richten vermöchte/ als
ich gewiß willig dazu wäre. Jch weiß aber fast nicht/ wie es so gar nicht
fort will/ so wol/ daß ich nicht völlig assequire/ worüber das verlangen
seye/ obs die ausführung der schätze des evangelii selbs wäre/ oder aber
dero anwendung in den predigten: als auch weil ich einen methodum
jemand vorzuschreiben nicht vermag/ weil ich selbs auff keinen acht gebe/
oder mich je einen auff eine kunst-manier zufassen befliessen habe. Deß-
wegen kan ich kein artificium oder handgrieff einem zeigen/ der ich kei-
nen hab/ oder daran gedencke/ sondern jedesmahl bey meinem vor-
haben die materien so disponire und einrichte/ wie mirs der gute GOtt
durch seine gnade bey der meditation gibet: dahero auch ob ich wol ins
gemein dieses jahr einen allgemeinen methodum behalten/ daß ich die
glaubens-articul handle/ und in jeglichem derselben das erbaulichste gern
vortrage/ so werden doch die predigten in vielen stücken/ auch etwa ratione
methodi,
eine anders als die andere seyn/ in dem ich nie gewohnt bin/ den me-
thodum
zur regel der materien zu machen/ sondern der methodus muß sich
von den materien einrichten lassen/ welches gantz anders bey denen ist/ so sich ei-
nen genauern methodum vorschreiben/ der nachmal der leist ist/ über den
nothwendig der schuch muß gespannet werden. Aber eben deßwegen sorge ich
sehr/ daß ich untüchtig seye/ jemand einen methodum zu weisen/ wie die
jenige/ welche eine sprach nicht nach der kunst und den formirten regeln der
Grammatic, sondern ipso usu gelernet/ die aber eben deßwegen darnach
andere schwehrlich anders unterrichten können/ ob sie schon etwa der sprache
völlig mächtig sind/ als daß sie ihnen vorsprechen/ und also diese allgemach
durch achtgeben auff ihre art/ die sie selbst nicht an sich mercken/ sich glei-
ches angewöhnen. Daher weiß ich nicht/ ob die wenige anleitung/ so ich
der vorrede vor mein tractätlein von natur und gnade einverleibt/ die ab-
sicht des verlangens an mich treffe/ oder gar darneben hingehe: vielweni-
ger kan ich gedencken/ daß es damit gnug wäre. Wolte sonsten gewiß-

lich
Z z z z 2

ARTIC. III. SECTIO XXIX.
noch dem geſetz wahrhafftig gemaß iſt/ weil es niemahl aus dem hertzen oder
geiſt gehet/ ſondern vielmehr das hertz dawider und mit GOtt/ der uns al-
ſo noͤthige und zwinge/ uͤbel zufrieden iſt. Maſſen es nicht anders ſeyn kan/
wann wir bedencken/ daß der heil. Geiſt nicht durch das geſetz/ ſondern die
predigt von dem glauben Gal.
3/ 2. gegeben werde. Wann aber derſel-
be vor einige gute freunde/ die darnach begierde haͤtten/ verlangen traͤget/ daß
ich einige anleitung geben moͤchte/ die zu ſolchem methodo nuͤtzlich waͤre/ ſo
wuͤnſchte ich hertzlich/ daß ich ſolches ſo wol zu werck zu richten vermoͤchte/ als
ich gewiß willig dazu waͤre. Jch weiß aber faſt nicht/ wie es ſo gar nicht
fort will/ ſo wol/ daß ich nicht voͤllig aſſequire/ woruͤber das verlangen
ſeye/ obs die ausfuͤhrung der ſchaͤtze des evangelii ſelbs waͤre/ oder aber
dero anwendung in den predigten: als auch weil ich einen methodum
jemand vorzuſchreiben nicht vermag/ weil ich ſelbs auff keinen acht gebe/
oder mich je einen auff eine kunſt-manier zufaſſen beflieſſen habe. Deß-
wegen kan ich kein artificium oder handgrieff einem zeigen/ der ich kei-
nen hab/ oder daran gedencke/ ſondern jedesmahl bey meinem vor-
haben die materien ſo diſponire und einrichte/ wie mirs der gute GOtt
durch ſeine gnade bey der meditation gibet: dahero auch ob ich wol ins
gemein dieſes jahr einen allgemeinen methodum behalten/ daß ich die
glaubens-articul handle/ und in jeglichem derſelben das erbaulichſte gern
vortrage/ ſo werden doch die predigten in vielen ſtuͤcken/ auch etwa ratione
methodi,
eine anders als die andere ſeyn/ in dem ich nie gewohnt bin/ den me-
thodum
zur regel der materien zu machen/ ſondern der methodus muß ſich
von den materien einrichten laſſen/ welches gantz anders bey denen iſt/ ſo ſich ei-
nen genauern methodum vorſchreiben/ der nachmal der leiſt iſt/ uͤber den
nothwendig der ſchuch muß geſpannet werden. Aber eben deßwegen ſorge ich
ſehr/ daß ich untuͤchtig ſeye/ jemand einen methodum zu weiſen/ wie die
jenige/ welche eine ſprach nicht nach der kunſt und den formirten regeln der
Grammatic, ſondern ipſo uſu gelernet/ die aber eben deßwegen darnach
andere ſchwehrlich anders unterrichten koͤnnen/ ob ſie ſchon etwa der ſprache
voͤllig maͤchtig ſind/ als daß ſie ihnen vorſprechen/ und alſo dieſe allgemach
durch achtgeben auff ihre art/ die ſie ſelbſt nicht an ſich mercken/ ſich glei-
ches angewoͤhnen. Daher weiß ich nicht/ ob die wenige anleitung/ ſo ich
der vorrede vor mein tractaͤtlein von natur und gnade einverleibt/ die ab-
ſicht des verlangens an mich treffe/ oder gar darneben hingehe: vielweni-
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lich
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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 731. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/747>, abgerufen am 22.11.2024.