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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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die jenige/ welche an dem exorcismo so hart kleben/ daß sie auch bey einigem
fall denselben auszulassen sich ein gewissen machen wolten/ allerdings nichts vorzei-
gen können/ worinnen seiner mehrer nutzen bestünde. Hingegen hat ja eine Chri-
stliche Obrigkeit soviel mehr fug und macht/ den jenigen/ welche einen solchen
ritum, der auffs wenigste die tauff in nichts kräfftiger oder auch deutlicher ma-
chet/ nicht gern haben eine dispersarion zugeben/ und nicht daran gebunden zuseyn:

Hierauß wird hoffentlich zur gnüge erhellen/ daß das Churfürstliche edict
von gewisser freystellung des exorcismi seine gute gründe habe/ hingegen nichts
in denselben seye/ was verursachte/ daß man ihm den gehorsam versagen müsse:
da als dann ausgemacht ist/ daß die obrigkeitliche befehl/ so wieder das gewis-
sen nicht lauffen/ auch dieses selbst Gottes wegen zur folge verbinden.

1. Dem jetzt besagten möchte man ein und anders entgegen setzen/ sonder-
lich daß die abschaffung des exorcismi schiene/ allermeist weil sie von Reformir-
ter Obrigkeit anbefohlen wird/ zu zielen auff die wo nicht verläugnung doch ver-
ringerung der erbsünde/ weil unterschiedliche Reformirte lehrer von solcher ma-
terie also geredet/ daß es mit unser richtigen glaubenslehre und analogie nicht
übereinkomme: weiln denn dieses die absicht seye/ so komme die sache in statum
confessionis,
und könne man ohne thätliche verläugnung der wahrheit in dieser
ceremonie, dero abschaffung auff diese art und aus dieser absicht gesuchet werde/
nicht weichen/ ja es verlöhren die mitteldinge in solchem fall ihre vorige freyheit/
da man sie sonsten brauchen oder auslassen können. Aber 1. wird hie nicht gehan-
delt von der abschaffung der ceremonie insgesamt/ sondern von einer dispensa-
tion
vor einige leute/ daß sie an diese ceremonie nicht gehalten seyn dörfften.
2. Daher kan die vorgebildete schwächung unsrer bekäntnüß nicht die eigentliche
absicht seyn/ noch sie dadurch geschehen: indem wo diese absicht wäre/ der ritus
gantz müßte abgeschafft/ nicht aber nur einige personen davon befreyet werden:
ja wann das edict noch weiter gienge/ und dahin lautete/ daß der exorcismus
insgemein solte ausgelassen/ und nur etlichen verlangenden administrirt wer-
den/ so würde dennoch auch diese verstattung desselben schon weisen/ daß man
uns die verläugnung unsrer lehre nicht zumuthe. Und folget je nicht/ daß wir in der
that die gewalt des Teuffels über die menschen ausser Christo leugneten/ wann wir
auff begehren dann und wann den exorcismum auslassen/ indem ja diejenige
kirchen sie auch bekantlich nicht verleugnen/ die jenen niemal gehabt/ und wir
ihn ja mehrmal unvergleichlich brauchen/ als auslassen. 3. Stehet die
wahl/ ob man ihn brauchen solle oder nicht/ nicht bey den Reformirten/ (es seye
denn sache/ daß die eltern selbs Reformirt wären/) sondern bey den Lutherischen
eltern/ von denen wir ja davor halten/ daß sie in der lehre mit uns einig/ daher
ihr begehren/ den exorcismum auszulassen/ der lehre auch nicht nach dem schein
eintrag thut. 4. Wo man einige hinterlist und daß dieses gesucht würde/ sor-
gen müßte/ könte man ohne den exorcismum andere gleichgültige/ aber nicht so

hart

Das andere Capitel.
die jenige/ welche an dem exorciſmo ſo hart kleben/ daß ſie auch bey einigem
fall denſelben auszulaſſen ſich ein gewiſſen machen wolten/ allerdings nichts vorzei-
gen koͤnnen/ worinnen ſeiner mehrer nutzen beſtuͤnde. Hingegen hat ja eine Chri-
ſtliche Obrigkeit ſoviel mehr fug und macht/ den jenigen/ welche einen ſolchen
ritum, der auffs wenigſte die tauff in nichts kraͤfftiger oder auch deutlicher ma-
chet/ nicht gern haben eine diſperſarion zugeben/ und nicht daran gebunden zuſeyn:

Hierauß wird hoffentlich zur gnuͤge erhellen/ daß das Churfuͤrſtliche edict
von gewiſſer freyſtellung des exorciſmi ſeine gute gruͤnde habe/ hingegen nichts
in denſelben ſeye/ was verurſachte/ daß man ihm den gehorſam verſagen muͤſſe:
da als dann ausgemacht iſt/ daß die obrigkeitliche befehl/ ſo wieder das gewiſ-
ſen nicht lauffen/ auch dieſes ſelbſt Gottes wegen zur folge verbinden.

1. Dem jetzt beſagten moͤchte man ein und anders entgegen ſetzen/ ſonder-
lich daß die abſchaffung des exorciſmi ſchiene/ allermeiſt weil ſie von Reformir-
ter Obrigkeit anbefohlen wird/ zu zielen auff die wo nicht verlaͤugnung doch ver-
ringerung der erbſuͤnde/ weil unterſchiedliche Reformirte lehrer von ſolcher ma-
terie alſo geredet/ daß es mit unſer richtigen glaubenslehre und analogie nicht
uͤbereinkomme: weiln denn dieſes die abſicht ſeye/ ſo komme die ſache in ſtatum
confesſionis,
und koͤnne man ohne thaͤtliche verlaͤugnung der wahrheit in dieſer
ceremonie, dero abſchaffung auff dieſe art und aus dieſer abſicht geſuchet werde/
nicht weichen/ ja es verloͤhren die mitteldinge in ſolchem fall ihre vorige freyheit/
da man ſie ſonſten brauchen oder auslaſſen koͤnnen. Aber 1. wird hie nicht gehan-
delt von der abſchaffung der ceremonie insgeſamt/ ſondern von einer diſpenſa-
tion
vor einige leute/ daß ſie an dieſe ceremonie nicht gehalten ſeyn doͤrfften.
2. Daher kan die vorgebildete ſchwaͤchung unſrer bekaͤntnuͤß nicht die eigentliche
abſicht ſeyn/ noch ſie dadurch geſchehen: indem wo dieſe abſicht waͤre/ der ritus
gantz muͤßte abgeſchafft/ nicht aber nur einige perſonen davon befreyet werden:
ja wann das edict noch weiter gienge/ und dahin lautete/ daß der exorciſmus
insgemein ſolte ausgelaſſen/ und nur etlichen verlangenden adminiſtrirt wer-
den/ ſo wuͤrde dennoch auch dieſe verſtattung deſſelben ſchon weiſen/ daß man
uns die verlaͤugnung unſrer lehre nicht zumuthe. Und folget je nicht/ daß wir in der
that die gewalt des Teuffels uͤber die menſchen auſſer Chriſto leugneten/ wann wir
auff begehren dann und wann den exorciſmum auslaſſen/ indem ja diejenige
kirchen ſie auch bekantlich nicht verleugnen/ die jenen niemal gehabt/ und wir
ihn ja mehrmal unvergleichlich brauchen/ als auslaſſen. 3. Stehet die
wahl/ ob man ihn brauchen ſolle oder nicht/ nicht bey den Reformirten/ (es ſeye
denn ſache/ daß die eltern ſelbs Reformirt waͤren/) ſondern bey den Lutheriſchen
eltern/ von denen wir ja davor halten/ daß ſie in der lehre mit uns einig/ daher
ihr begehren/ den exorciſmum auszulaſſen/ der lehre auch nicht nach dem ſchein
eintrag thut. 4. Wo man einige hinterliſt und daß dieſes geſucht wuͤrde/ ſor-
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[166/0966] Das andere Capitel. die jenige/ welche an dem exorciſmo ſo hart kleben/ daß ſie auch bey einigem fall denſelben auszulaſſen ſich ein gewiſſen machen wolten/ allerdings nichts vorzei- gen koͤnnen/ worinnen ſeiner mehrer nutzen beſtuͤnde. Hingegen hat ja eine Chri- ſtliche Obrigkeit ſoviel mehr fug und macht/ den jenigen/ welche einen ſolchen ritum, der auffs wenigſte die tauff in nichts kraͤfftiger oder auch deutlicher ma- chet/ nicht gern haben eine diſperſarion zugeben/ und nicht daran gebunden zuſeyn: Hierauß wird hoffentlich zur gnuͤge erhellen/ daß das Churfuͤrſtliche edict von gewiſſer freyſtellung des exorciſmi ſeine gute gruͤnde habe/ hingegen nichts in denſelben ſeye/ was verurſachte/ daß man ihm den gehorſam verſagen muͤſſe: da als dann ausgemacht iſt/ daß die obrigkeitliche befehl/ ſo wieder das gewiſ- ſen nicht lauffen/ auch dieſes ſelbſt Gottes wegen zur folge verbinden. 1. Dem jetzt beſagten moͤchte man ein und anders entgegen ſetzen/ ſonder- lich daß die abſchaffung des exorciſmi ſchiene/ allermeiſt weil ſie von Reformir- ter Obrigkeit anbefohlen wird/ zu zielen auff die wo nicht verlaͤugnung doch ver- ringerung der erbſuͤnde/ weil unterſchiedliche Reformirte lehrer von ſolcher ma- terie alſo geredet/ daß es mit unſer richtigen glaubenslehre und analogie nicht uͤbereinkomme: weiln denn dieſes die abſicht ſeye/ ſo komme die ſache in ſtatum confesſionis, und koͤnne man ohne thaͤtliche verlaͤugnung der wahrheit in dieſer ceremonie, dero abſchaffung auff dieſe art und aus dieſer abſicht geſuchet werde/ nicht weichen/ ja es verloͤhren die mitteldinge in ſolchem fall ihre vorige freyheit/ da man ſie ſonſten brauchen oder auslaſſen koͤnnen. Aber 1. wird hie nicht gehan- delt von der abſchaffung der ceremonie insgeſamt/ ſondern von einer diſpenſa- tion vor einige leute/ daß ſie an dieſe ceremonie nicht gehalten ſeyn doͤrfften. 2. Daher kan die vorgebildete ſchwaͤchung unſrer bekaͤntnuͤß nicht die eigentliche abſicht ſeyn/ noch ſie dadurch geſchehen: indem wo dieſe abſicht waͤre/ der ritus gantz muͤßte abgeſchafft/ nicht aber nur einige perſonen davon befreyet werden: ja wann das edict noch weiter gienge/ und dahin lautete/ daß der exorciſmus insgemein ſolte ausgelaſſen/ und nur etlichen verlangenden adminiſtrirt wer- den/ ſo wuͤrde dennoch auch dieſe verſtattung deſſelben ſchon weiſen/ daß man uns die verlaͤugnung unſrer lehre nicht zumuthe. Und folget je nicht/ daß wir in der that die gewalt des Teuffels uͤber die menſchen auſſer Chriſto leugneten/ wann wir auff begehren dann und wann den exorciſmum auslaſſen/ indem ja diejenige kirchen ſie auch bekantlich nicht verleugnen/ die jenen niemal gehabt/ und wir ihn ja mehrmal unvergleichlich brauchen/ als auslaſſen. 3. Stehet die wahl/ ob man ihn brauchen ſolle oder nicht/ nicht bey den Reformirten/ (es ſeye denn ſache/ daß die eltern ſelbs Reformirt waͤren/) ſondern bey den Lutheriſchen eltern/ von denen wir ja davor halten/ daß ſie in der lehre mit uns einig/ daher ihr begehren/ den exorciſmum auszulaſſen/ der lehre auch nicht nach dem ſchein eintrag thut. 4. Wo man einige hinterliſt und daß dieſes geſucht wuͤrde/ ſor- gen muͤßte/ koͤnte man ohne den exorciſmum andere gleichguͤltige/ aber nicht ſo hart

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/966>, abgerufen am 22.11.2024.