annehmt, wie sie Euch wohl erscheinen muß. Ich glaube auch, daß Luther einen wahr¬ haft großen Geist hat, aber ich bin ihm darum doch nicht gewogen. Es ist schlimm, daß die Menschen nichts einreißen können, nicht die Wand eines Hofs, ohne gleich dar¬ auf Lust zu kriegen, ein neues Gebäude auf¬ zuführen. Wir haben eingesehn, daß Irren möglich sey, nun irren wir lieber noch jen¬ seits, als in der geraden lieblichen Straße zu bleiben. Ich sehe schon im Voraus die Zeit kommen, die die gegenwärtige Zeit fast nothwendig hervorbringen muß, wo ein Mann sich schon für ein Wunder seines Jahrhunderts hält, wenn er eigentlich nichts ist. Ihr fangt an zu untersuchen, wo nichts zu untersuchen ist, Ihr tastet die Göttlich¬ keit unsrer Religion an, die wie ein wunder¬ bares Gedicht vor uns da liegt, und nun einmal keinem andern verständlich ist, als
annehmt, wie ſie Euch wohl erſcheinen muß. Ich glaube auch, daß Luther einen wahr¬ haft großen Geiſt hat, aber ich bin ihm darum doch nicht gewogen. Es iſt ſchlimm, daß die Menſchen nichts einreißen können, nicht die Wand eines Hofs, ohne gleich dar¬ auf Luſt zu kriegen, ein neues Gebäude auf¬ zuführen. Wir haben eingeſehn, daß Irren möglich ſey, nun irren wir lieber noch jen¬ ſeits, als in der geraden lieblichen Straße zu bleiben. Ich ſehe ſchon im Voraus die Zeit kommen, die die gegenwärtige Zeit faſt nothwendig hervorbringen muß, wo ein Mann ſich ſchon für ein Wunder ſeines Jahrhunderts hält, wenn er eigentlich nichts iſt. Ihr fangt an zu unterſuchen, wo nichts zu unterſuchen iſt, Ihr taſtet die Göttlich¬ keit unſrer Religion an, die wie ein wunder¬ bares Gedicht vor uns da liegt, und nun einmal keinem andern verſtändlich iſt, als
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annehmt, wie ſie Euch wohl erſcheinen muß.
Ich glaube auch, daß Luther einen wahr¬
haft großen Geiſt hat, aber ich bin ihm
darum doch nicht gewogen. Es iſt ſchlimm,
daß die Menſchen nichts einreißen können,
nicht die Wand eines Hofs, ohne gleich dar¬
auf Luſt zu kriegen, ein neues Gebäude auf¬
zuführen. Wir haben eingeſehn, daß Irren
möglich ſey, nun irren wir lieber noch jen¬
ſeits, als in der geraden lieblichen Straße
zu bleiben. Ich ſehe ſchon im Voraus die
Zeit kommen, die die gegenwärtige Zeit faſt
nothwendig hervorbringen muß, wo ein
Mann ſich ſchon für ein Wunder ſeines
Jahrhunderts hält, wenn er eigentlich nichts
iſt. Ihr fangt an zu unterſuchen, wo nichts
zu unterſuchen iſt, Ihr taſtet die Göttlich¬
keit unſrer Religion an, die wie ein wunder¬
bares Gedicht vor uns da liegt, und nun
einmal keinem andern verſtändlich iſt, als
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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/256>, abgerufen am 22.11.2024.
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