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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 3. Leipzig, 1703.

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Galante Gedichte.

Wie sich sein eigner dolch zu seiner brust gekehrt:
Daß durch der Dido hertz um sie ein schwerd gedrungen/
Narcissus gar der zahl der blumen beygesetzt/
Und Sappho von dem felß der höllen abgesprung en/
Wie diß der zeiten hand der nachwelt eingeätzt.
Allein ihr vorzug weiß von viel belobtern siegen:
Sie siegt und störet doch nicht der bezwungnen heyl;
Denn muß sie manchen geist bestreiten und bekriegen/
So sticht/ Achillens gleich/ und heilet auch ihr pfeil.
Die schönheit läst von sich mit theuren worten hören:
Sie schone/ weil man mehr durch lebende sich ehrt;
Berühmter ist ein ding erhalten als verstören/
Und leichter wird der todt als leben uns gewehrt.
Die stärcke siegt zum todt/ und schönheit mehr zum leben/
Die menschen wünschet sie in liebes-feur zu sehn/
Daß andre sich durch sie aus unsrer aschen heben/
Und neue lebenden aus unser brunst entstehn.
Auf diesen bauet sie sich ihre sieges-tempel/
Die stärcke aber hat in leichen sie gegründt;
Die schönheit bringt des siegs fast täglich ein exempel/
Wenn die ein seltenes kaum in dem kriege findt.
Doch ist diß nicht genung von ihren vorzugs-gaben/
Sie übertrifft auch sonst die stärcke noch vielmehr;
Die gantze welt kan sie in ihrer herrschafft haben/
Da stärcke kaum aus ihr besiegt ein kleines heer.
Muß nicht ein ieder mensch von schönheits-zügen sagen?
Der stärckste kennt ihr reich/ der doch die triebe zwingt.
Auch götter müssen offt ob ihren siegen klagen/
Wann stärcke sonder sieg mit schwachen menschen ringt.
Die schönheit kan aus uns die wildsten hertzen nehmen/
Sie bändigt unsern leib und auch den starren geist;
Die stärcke mag nur bloß den leib im siege zähmen/
Denn ihren banden sich stets unser hertz entreißt.
Sie greifft uns an der stärck/ und schönheit an der schwächen/
Die eigen-liebe giebt den beyfall ihr erfreut/
Durch anmuth lassen wir auch die vernunfft bestechen/
Wenn jener storrigkeit und zorn die stirne beut.

Man

Galante Gedichte.

Wie ſich ſein eigner dolch zu ſeiner bruſt gekehrt:
Daß durch der Dido hertz um ſie ein ſchwerd gedrungen/
Narciſſus gar der zahl der blumen beygeſetzt/
Und Sappho von dem felß der hoͤllen abgeſprung en/
Wie diß der zeiten hand der nachwelt eingeaͤtzt.
Allein ihr vorzug weiß von viel belobtern ſiegen:
Sie ſiegt und ſtoͤret doch nicht der bezwungnen heyl;
Denn muß ſie manchen geiſt beſtreiten und bekriegen/
So ſticht/ Achillens gleich/ und heilet auch ihr pfeil.
Die ſchoͤnheit laͤſt von ſich mit theuren worten hoͤren:
Sie ſchone/ weil man mehr durch lebende ſich ehrt;
Beruͤhmter iſt ein ding erhalten als verſtoͤren/
Und leichter wird der todt als leben uns gewehrt.
Die ſtaͤrcke ſiegt zum todt/ und ſchoͤnheit mehr zum leben/
Die menſchen wuͤnſchet ſie in liebes-feur zu ſehn/
Daß andre ſich durch ſie aus unſrer aſchen heben/
Und neue lebenden aus unſer brunſt entſtehn.
Auf dieſen bauet ſie ſich ihre ſieges-tempel/
Die ſtaͤrcke aber hat in leichen ſie gegruͤndt;
Die ſchoͤnheit bringt des ſiegs faſt taͤglich ein exempel/
Wenn die ein ſeltenes kaum in dem kriege findt.
Doch iſt diß nicht genung von ihren vorzugs-gaben/
Sie uͤbertrifft auch ſonſt die ſtaͤrcke noch vielmehr;
Die gantze welt kan ſie in ihrer herrſchafft haben/
Da ſtaͤrcke kaum aus ihr beſiegt ein kleines heer.
Muß nicht ein ieder menſch von ſchoͤnheits-zuͤgen ſagen?
Der ſtaͤrckſte kennt ihr reich/ der doch die triebe zwingt.
Auch goͤtter muͤſſen offt ob ihren ſiegen klagen/
Wann ſtaͤrcke ſonder ſieg mit ſchwachen menſchen ringt.
Die ſchoͤnheit kan aus uns die wildſten hertzen nehmen/
Sie baͤndigt unſern leib und auch den ſtarren geiſt;
Die ſtaͤrcke mag nur bloß den leib im ſiege zaͤhmen/
Denn ihren banden ſich ſtets unſer hertz entreißt.
Sie greifft uns an der ſtaͤrck/ und ſchoͤnheit an der ſchwaͤchen/
Die eigen-liebe giebt den beyfall ihr erfreut/
Durch anmuth laſſen wir auch die vernunfft beſtechen/
Wenn jener ſtorrigkeit und zorn die ſtirne beut.

Man
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[16/0024] Galante Gedichte. Wie ſich ſein eigner dolch zu ſeiner bruſt gekehrt: Daß durch der Dido hertz um ſie ein ſchwerd gedrungen/ Narciſſus gar der zahl der blumen beygeſetzt/ Und Sappho von dem felß der hoͤllen abgeſprung en/ Wie diß der zeiten hand der nachwelt eingeaͤtzt. Allein ihr vorzug weiß von viel belobtern ſiegen: Sie ſiegt und ſtoͤret doch nicht der bezwungnen heyl; Denn muß ſie manchen geiſt beſtreiten und bekriegen/ So ſticht/ Achillens gleich/ und heilet auch ihr pfeil. Die ſchoͤnheit laͤſt von ſich mit theuren worten hoͤren: Sie ſchone/ weil man mehr durch lebende ſich ehrt; Beruͤhmter iſt ein ding erhalten als verſtoͤren/ Und leichter wird der todt als leben uns gewehrt. Die ſtaͤrcke ſiegt zum todt/ und ſchoͤnheit mehr zum leben/ Die menſchen wuͤnſchet ſie in liebes-feur zu ſehn/ Daß andre ſich durch ſie aus unſrer aſchen heben/ Und neue lebenden aus unſer brunſt entſtehn. Auf dieſen bauet ſie ſich ihre ſieges-tempel/ Die ſtaͤrcke aber hat in leichen ſie gegruͤndt; Die ſchoͤnheit bringt des ſiegs faſt taͤglich ein exempel/ Wenn die ein ſeltenes kaum in dem kriege findt. Doch iſt diß nicht genung von ihren vorzugs-gaben/ Sie uͤbertrifft auch ſonſt die ſtaͤrcke noch vielmehr; Die gantze welt kan ſie in ihrer herrſchafft haben/ Da ſtaͤrcke kaum aus ihr beſiegt ein kleines heer. Muß nicht ein ieder menſch von ſchoͤnheits-zuͤgen ſagen? Der ſtaͤrckſte kennt ihr reich/ der doch die triebe zwingt. Auch goͤtter muͤſſen offt ob ihren ſiegen klagen/ Wann ſtaͤrcke ſonder ſieg mit ſchwachen menſchen ringt. Die ſchoͤnheit kan aus uns die wildſten hertzen nehmen/ Sie baͤndigt unſern leib und auch den ſtarren geiſt; Die ſtaͤrcke mag nur bloß den leib im ſiege zaͤhmen/ Denn ihren banden ſich ſtets unſer hertz entreißt. Sie greifft uns an der ſtaͤrck/ und ſchoͤnheit an der ſchwaͤchen/ Die eigen-liebe giebt den beyfall ihr erfreut/ Durch anmuth laſſen wir auch die vernunfft beſtechen/ Wenn jener ſtorrigkeit und zorn die ſtirne beut. Man

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 3. Leipzig, 1703, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte03_1703/24>, abgerufen am 05.05.2024.